Abnutzung, Überlastung oder Sportunfälle führen zu Verletzungen. Mediziner erklären Heilungsmöglichkeiten. Mit 27 Prozent gehört das Sprunggelenk zu den am häufigsten verletzten Körperregionen.

Ob beim Joggen, Reiten, Tennis, Yoga, Ski- und Radfahren oder beim Fuß- und Volleyball: Immer mehr Freizeit- und Leistungssportler erleiden bei der Ausübung ihres Sports Verletzungen. Pro Jahr ereignen sich bundesweit bis zu zwei Millionen Sportunfälle – Tendenz steigend. Nach aktuellen Zahlen der ARAG-Versicherung gehört das Sprunggelenk mit einem Anteil von 27 Prozent zu den am häufigsten verletzten Körperregionen. Mit 18 Prozent am zweithäufigsten kracht es im Knie.

„Besonders anfällig für Verletzungen, auch infolge von Abnutzung oder Überlastung, sind die Menisken, die Kreuz- und Seitenbänder. Sie werden vor allem bei schnellen Richtungswechseln, harten Zweikämpfen und Sprüngen großen Belastungen ausgesetzt und haben schon so mancher Sportlerkarriere ein vorzeitiges Ende bereitet“, sagt Privatdozent Alexander Katzer von der Orthoclinic Hamburg. „Überdies kommt es beim Sport häufig zu Knorpelverletzungen.“

Auch Anja Sellmann kann nur noch eingeschränkt Sport treiben. Sie hat zwei Kreuzbandrisse, zwei Meniskusrisse sowie eine Kapselverletzung hinter sich. „Eine bittere Pille“, sagt die 48-Jährige, die einst für ihr Leben gern Handball, Basketball und Tennis spielte, an Triathlons teilnahm und Ski fuhr.

Kreuzbandrisse gehören zu den schwersten Knieverletzungen, wobei das vordere Kreuzband wesentlich häufiger betroffen ist als das hintere. Der unbehandelte Riss des Kreuzbands führt wegen der Instabilität des Gelenks zum vorzeitigen Gelenkverschleiß. Daher muss meistens operiert werden. Bei den sogenannten Kreuzbandplastiken handelt es sich um Kreuzbandersatz-Operationen. Ziel ist, das vordere Kreuzband so gut wie möglich in seinem ursprünglichen Verlauf wiederherzustellen. Der operierende Arzt zieht eine Ersatzsehne zumeist aus dem Oberschenkel in das Knie ein. Zur Fixierung des Transplantats im Schienbeinkopf wird eine Schraube, die sich später von selbst auflöst, durch einen kleinen Kanal eingebracht.

„Welche genaue Technik zum Einsatz kommt, hängt auch beim Kreuzband von Alter, Geschlecht, Sportart, Größe, Gewicht und Gewebestruktur ab. Denn grundsätzlich führt eine individualisierte Behandlung des Kniegelenks zu den besten Ergebnissen“, sagt Katzer. Nach der OP dürfen Patienten oft lange Zeit nicht trainieren. Stattdessen stehen Physiotherapie, kontrollierte Bewegungsübungen und sukzessiver Belastungsaufbau auf dem Programm. Etwa vier bis sechs Wochen dauert es, bis das Knie wieder belastet werden kann. „Nach einem Riss des hinteren Kreuzbands kann ein gezielter Aufbau der Oberschenkelmuskulatur zur Stabilisierung des Kniegelenks beitragen, sodass ein normaler Gebrauch ohne OP wieder möglich ist. Das betrifft vor allem ältere Menschen“, sagt Prof. Frank Lampe, Chefarzt im Zentrum für Endoprothetik und Allgemeine Orthopädie an der Schön Klinik Hamburg Eilbek. Neben der Physiotherapie haben sich physikalische Maßnahmen wie Kälte oder Ultraschalltherapie als Teil der konservativen Behandlung bewährt.

Zu den häufig auftretenden Sportverletzungen des Kniegelenks gehört der Meniskusriss. Der halbmondförmige Knorpel, der wie ein Stoßdämpfer im Gelenk wirkt, kann bei plötzlichen Drehbewegungen, abruptem Stoppen oder Stürzen Schaden nehmen. Da Meniskusgewebe nur sehr schlecht durchblutet ist, wachsen Meniskusrisse beim Erwachsenen von allein nicht wieder zusammen. Und es kann vorkommen, dass sich der Riss unter Belastung weiter ausbreitet. Um Folgeschäden zu verhindern, wird der Riss genäht oder der Meniskus teilweise entfernt.

Vergleichsweise neue OP-Methoden kommen neben dem Meniskus-Ersatz bei der Behandlung von Knorpelverletzungen zum Einsatz. Dazu zählt zum Beispiel die Transplantation körpereigener Knorpelzellen. In einem ersten Eingriff werden mehrere reiskorngroße Knorpelstücke aus weniger belasteten Gelenkabschnitten entnommen. Aus ihnen werden dann im Labor Knorpelzellen herausgelöst und vermehrt. Sobald eine ausreichende Zellzahl erreicht ist, werden diese Zellen in den Knorpeldefekt zurückverpflanzt. „Insbesondere für jüngere Patienten kann die Eigenknorpeltransplantation viele Vorteile bedeuten“, sagt Lampe.

Jeder verlorene Behandlungstag kann die Heilung um Wochen verlängern

Große Hoffnungen setzten Patienten und Ärzte in die weitere Entwicklung der Stammzellentherapie. Sie steht für einen Verzicht auf riskante Operationen und Fremdkörper wie Schrauben oder Prothesen im Körper. Die Idee dahinter: Stammzellen des Knochenmarks verwandeln sich mithilfe von Wachstumsfaktoren in Knorpelzellen. Dafür entnimmt der Arzt in einer einzigen Operation Knochenmark aus gelenkbildenden Knochenabschnitten und reichert es mit proliferationsfördernden Proteinen an. Anschließend wird die Mischung in das Gelenk an der Stelle des Knorpelschadens eingefüllt. „Wir sehen in diesem Verfahren derzeit noch keinen überlegenen Nutzen, da der Ersatzknorpel mechanisch mit dem Original absolut nicht vergleichbar ist, aber die experimentellen Ergebnisse sind viel versprechend“, sagt Katzer.

Bevor eine Knieverletzung sinnvoll behandelt werden kann, ist eine exakte Diagnose durch einen versierten Orthopäden oder Chirurgen sowie meistens auch eine Kernspintomografie erforderlich. Zu lange sollte man damit auf keinen Fall warten, denn jeder verlorene Behandlungstag kann die Heilung um Wochen verlängern und im schlimmsten Fall zu einer Verschlechterung oder sogar zu chronischen Schmerzen führen, die nur schwer und langwierig zu behandeln sind.

Anja Sellmann krempelte ihr Sportlerleben um, nachdem sie nach vielen Operationen schließlich ein Meniskus- Implantat aus Kollagen erhalten hatte. Durch die Implantation eines speziellen Gerüsts für die Wiederansiedlung körpereigener Zellen konnte neues, meniskusartiges Gewebe entstehen, das die Fähigkeit besitzt, die Funktion des Meniskus zu übernehmen.

„Mein Knie ist wieder voll belastbar, und ich habe keine Schmerzen im Alltag“, sagt Sellmann. Das Laufen von Langstrecken und sogenannte Stop-and-go-Sportarten sind für sie allerdings tabu. Stattdessen fährt sie viel Rad, macht Pilates sowie Gesundheitssport – alles in Maßen. Jede Verletzung berge auch Chancen. „Man lernt loszulassen und sich neu zu orientieren.“