Weit weg vom Alltagsstress ist fast jeder entspannter. Beste Voraussetzung für einen Urlaubsflirt. Doch oft hält die Liebelei nur bis Ferienende.

Heidenheim/Heidelberg. Langsam nippt Saskia Wendling (Name geändert) an ihrem Cocktail. Zusammen mit ihrer Freundin ist die BWL-Studentin nach Gran Canaria gereist, um sich vom Prüfungsstress zu erholen. „Spaß haben ohne Hintergedanken“ – das will Stefan Pietsch (Name geändert), der wie Saskia mit seinen Freunden auf Gran Canaria an der Hotelbar sitzt. „Zu diesem Zeitpunkt hatte ich seit fünf Jahren keine Freundin mehr“, erinnert sich der heute 35-Jährige aus dem schwäbischen Heidenheim im Rückblick, „und hatte mich damit sehr gut arrangiert“.

Doch als er Saskia sieht, verändert sich auf einen Schlag seine Einstellung zum Single-Dasein. Pietsch, der sich zu dieser Zeit als beziehungsunfähig und schüchtern beschreibt, staunt über seinen Mut, als er auf sie zugeht. „Der ist total nett“, denkt sich die 27-Jährige. Fast 4.000 Kilometer entfernt von der Heimat und weit weg vom Alltagsstress funkt es.

Die beiden sind nicht die einzigen, die sich im Urlaub verliebt haben – das ergab jedenfalls eine Umfrage der Online-Partneragentur Parship unter knapp 2.000 Singles. Mehr als ein Drittel der männlichen und fast ein Viertel aller weiblichen Befragten berichteten von einer Ferien-Romanze – die mit der Abreise meist erledigt war.

Doch woran liegt es, dass man sich im Urlaub so gerne verliebt? „Die meisten Menschen sind im Urlaub gelöster, entspannter und vor allem offener und neugieriger“, sagt Singleberater und Beziehungsexperte Eric Hegmann (Hamburg). „Dies alles erhöht die Wahrnehmung der Umgebung und wir wirken dadurch auf andere anziehender.“ Beste Voraussetzungen also für einen Flirt, „eine spielerische Kontaktaufnahme mit offenem Ende“, wie Hegmann diesen Begriff definiert.

+++Flirt im Treppenhaus: Für die meisten kein Thema+++

+++Cora Schumacher und Rapper Marteria+++

Hinzu kommt laut Maren Stephan, Single-Beraterin aus Heidelberg, dass fern vom Alltag die Anforderungen an den potenziellen Partner sinken. „Wir beurteilen unser Gegenüber weniger streng, oft stellen wir an eine Urlaubsliebe weit geringere Ansprüche im Blick auf das Funktionieren im Alltag.“ Außerdem könne man in einer unbekannten Umgebung in ganz andere Rollen schlüpfen und sich ausprobieren. „Viele verlieren dadurch Hemmungen und wagen das emotionale Risiko des Sich-Verliebens.“

Laut einer weiteren Parship-Umfrage haben die meisten der befragten Singles ihre Urlaubsflirts in Spanien, Italien und Frankreich erlebt. Ob das an der Sonne liegt, die Glückshormone freisetzt? „Bei mildem Klima verhalten sich Menschen tendenziell eher offen und kontaktfreudig“, weiß Psychologin Stephan. Dies liege unter anderem daran, dass ab dem Frühjahr weniger libido-hemmendes Hormon Melatonin produziert wird – die Flirtlust steigt.

Jeder Flirt beginnt mit einem Lächeln, ist Hegmann überzeugt. Er ist Autor der Bücher „Die Traumprinz-Falle“ und „Dating-Regeln“ und glaubt: „Pessimisten küsst man nicht. Wer positiv, neugierig, respektvoll und offen für neue Begegnungen auf andere Menschen zugeht, wird schnell und einfach Kontakte knüpfen können.“ Männer sollten auf eine Einladung – Blickkontakt oder Lächeln – warten, bevor sie aktiv werden, rät der Beziehungsexperte. Dadurch riskierten sie, Umgangsformen vorausgesetzt, kaum einen Korb.

Wer seine Chance auf einen Sommerflirt erhöhen möchte, sollte eine Urlaubsart wählen, in der gemeinsame Aktivitäten angeboten werden, sagt Psychologin Stephan. Das muss nicht unbedingt ein Sporturlaub sein – Hauptsache, es kommen Menschen ungezwungen mit anderen in Kontakt.

Der Geschäftsführer von Singlereisen.de, Thomas Schulz (Offenburg), bestätigt diesen Rat: Wer sich gegenseitig abseilt oder zusammen einen Vulkan besteigt, lerne sich in einer Woche so intensiv wie sonst kaum kennen. Singles, die bei ihm eine Reise buchen, wollten vor allem einen schönen Urlaub und im Hotel nicht alleine am Frühstückstisch sitzen – geschweige denn in einem Segelboot bei Sonnenuntergang zwischen lauter Pärchen landen. Der Wunsch, einen Partner zu finden, sei nicht die Hauptmotivation für einen Urlaub, schwinge aber meist im Hinterkopf mit.

Wer als Single verreist, um eine neue Beziehung zu finden, sollte nicht zu viel erwarten, sagt Hegmann. Aus einer unbeschwerten Urlaubsliebelei wird nicht immer eine Partnerschaft. Der Alltag habe schon häufig den Lack einer Urlaubsromanze abblättern lassen.

Doch als Saskia Wendling nach einer romantischen Woche wieder im Flugzeug Richtung Deutschland sitzt, ist ihr Sommernachtstraum nicht vorbei: „Ich merkte, dass mir Stefan mehr bedeutete.“ Aus ihrem Flirt wurde Liebe: Heute leben beide seit mehr als sechs Jahren in einer festen Wochenend-Partnerschaft.

„Unsere Beziehung wäre nicht zustande gekommen, wenn wir uns im Alltag getroffen hätten“, ist Wendling überzeugt. Sie beide seien eher schüchterne Menschen. „Es war wichtig, dass wir mehrere Tage Zeit hatten, uns kennenzulernen“.