Von fünf auf 15 PS soll noch in diesem Jahr die Grenze für führerscheinfreie Boote angehoben werden. Experten sehen aber auch Risiken.

Hamburg. Der Beschluss klingt langweilig, doch was der Bundestag unter dem Titel "Neue Impulse für die Sportschifffahrt" auf den Weg gebracht hat, gibt Anlass zum Streit. Der Antrag von CDU/CSU und FDP fordert die Bundesregierung auf, die Führerscheinregelung für Motorboote erheblich zu lockern: Sind bislang Motoren bis fünf PS führerscheinfrei zu bewegen, sollen die Bootfahrer künftig auf 15 PS aufrüsten dürfen, ohne sich einer Prüfung unterziehen zu müssen.

Das erinnert an die Initiative der Motorradindustrie aus den 90er-Jahren. Damals wurde durchgesetzt, dass Motorräder bis 125 Kubikzentimeter ohne weitere Ausbildung von Autofahrern bewegt werden durften, die ihren Pkw-Führerschein vor dem 1. April 1980 gemacht hatten - ein prima Konjunkturprogramm, das einige Jahre gut funktioniert hat. Darum gehe es beim Bootfahren aber nicht, sagt Torsten Staffeldt, FDP-Bundestagabgeordneter aus Bremen und einer der Initiatoren der Neuregelung. Er wolle lediglich "mehr Menschen auf das Wasser bekommen", vor allem jüngere. Der demografische Wandel im Wassersport solle mit der entspannteren PS-Regel "zumindest relativiert" werden.

Trotz aller Beteuerungen: Die Branche frohlockt. Den Vermietern, den Herstellern und Händlern wird die neue Regel das Geschäft erleichtern. "Das Ergebnis der Verhandlungen und die Schnelligkeit der Umsetzung sind ein überaus positives Signal für unsere Branche und werden deren weitere positive Entwicklung nachhaltig fördern", verkündet Robert Marx, Präsident des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft (BVWW). "Die Bedeutung für die Branche kann man gar nicht hoch genug einschätzen."

+++ Glatt durchs Wasser gleiten +++

Die meisten anderen Experten freuen sich weniger. So empfiehlt der Direktor der Wasserschutzpolizei Brandenburg, Hans-Joachim Werner, "zur weiteren Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit im Schiffsverkehr" nur eine Anhebung der Grenze auf zehn PS.

Dietmar Bloch, seit 36 Jahren Wasserschutzpolizist in Sachsen-Anhalt, äußerte seine Bedenken auf der Magdeburger Regionalkonferenz Wassersport: "Eine Anhebung auf 15 PS bedeutet eine starke Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit." Es sei vorstellbar, dass kleine Sportboote zukünftig bis zu 40 Kilometer pro Stunde schnell die Elbe abwärts fahren würden, was zu einem erheblichen Verkehrsrisiko führen könne, vor allem im Hinblick auf Konflikte mit der Berufsschifffahrt. Sie hat grundsätzlich Vorfahrt - wer einen Führerschein hat, weiß das auch.

Die Gefahr, die von flotten Booten mit unausgebildeten Skippern ausgeht, sieht auch der Deutsche Motoryacht-Verband (DMYV). "Die von uns verwendeten Jugendboote, Schlauchboote mit Feststoff-Rumpf, die ab einem Alter von acht Jahren gefahren werden, erreichen mit einer Fünf-PS-Motorisierung schon locker 20 Kilometer pro Stunde", sagt DMYV-Präsident Winfried Röcker. Mit einer Verdreifachung der PS-Zahl seien die Boote doppelt so schnell. Zudem sei eine Haftpflichtversicherung für Boote in Deutschland noch nicht zwingend vorgeschrieben. "Und einerseits soll es eine Anhebung der Führerscheinfreiheit geben, andererseits sollen ab Mai die Führerscheinprüfungen zumindest teilweise verschärft werden, das macht für mich keinen Sinn." Der DMYV, der nicht die Industrie, sondern die Bootsfahrer vertritt, lehnt die Bundestagsinitiative vor allem deshalb ab, weil "wir befürchten, dass dadurch das Ansehen des motorisierten Wassersports in Deutschland leiden könnte", sagt Röcker. Auch Bernd Roeder, Justiziar und Beauftragter für den Wassersport beim Deutschen Olympischen Sportbund, und der Generalsekretär des Deutschen Segler-Verbandes (DSV), Philipp Süß, raten "mit Nachdruck von der Aufhebung der Führerscheinpflicht für motorisierte Sportboote bis 15 PS ab". Die Anhebung der Führerschein-Pflichtgrenze würde sich in der Praxis wie ein "Außenborder-Privileg" auswirken.

Anders als bei Autos lasse sich die Motorisierung bei Sportbooten auch von Laien mit wenigen Handgriffen auswechseln; führerscheinfreie Außenborder könnten ganz einfach an beliebig große - und beliebig kleine - Bootsrümpfe montiert werden. "Verkehrspädagogisch" sei die Wirkung einer Anhebung der PS-Zahl in Bezug auf die Führerscheinpflicht fatal: Sie untergrabe die Akzeptanz und die Glaubwürdigkeit des Fahrerlaubniswesens in Deutschland; der Erwerb eines Befähigungsnachweises würde nicht mehr von der Sicherheit des Verkehrsmittels, sondern vom Kauf des "richtigen" Motors abhängen, argumentieren Roeder und Süß.

Allerdings haben DMYV und DSV in ihrer Ablehnung ebenfalls wirtschaftliche Interessen im Blick. Das jedenfalls hat FDP-Mann Staffeldt ihnen in der Bundestags-Anhörung vorgeworfen. "Weil der DSV wie der DMYV ja seit Jahrzehnten mit der Beleihung der Führerscheinabnahmen im Sportbootschifffahrtsbereich betraut sind und sie dort natürlich auch einen sehr großen Anteil der Einnahmen generieren."

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das Bundesverkehrsministerium dem CDU/FDP-Antrag im Sommer entsprechen. Trotzdem wollen die Nutznießer der Neuregelung die Kritik der Verbände und Behörden der Branche berücksichtigen. Mit den neuen Möglichkeiten solle sorgsam umgegangen werden, heißt es aus dem BVWW. Schließlich erfolge die Öffnung auf 15 PS nur auf Probe und solle nach Ablauf von drei Jahren neu bewertet werden. Zudem ist eine Begrenzung auf 20 km/h in der Diskussion.

In diese Bresche schlägt auch der ADAC: "Um der Sicherheit auf dem Wasser auch mit der Erhöhung auf 15 PS gerecht zu werden, schlagen wir vor, eine für Einsteiger verpflichtende mehrstündige Einweisung vergleichbar mit der Charterscheinregelung einzuführen", sagt Steffen Häbich, der Wassersport-Verantwortliche des Klubs. Diese Verpflichtung könne auf die Personen beschränkt werden, die mit Booten zwischen fünf und 15 PS führerscheinfrei fahren wollen.

Gegen jeden Kompromiss stellt sich der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Umweltschützer geißeln den "teilweise enormen Energieverbrauch" von Motorbooten aller Art und kritisieren ganz allgemein eine zu starke Nutzung der Gewässer durch Sportboote. Die Neuregelung führe zu mehr Betrieb auf dem Wasser und damit zu einer stärkeren Beeinträchtigung von Pflanzen und Tieren am Ufer.