Abendblatt Sonntags: Wie lange gibt es Deutschlands häufigstes Wohnzimmer?

Heumann: Zwei Jahre. Seitdem hat sich auch nicht viel verändert. Die meisten Dinge, die sich verändern könnten, haben noch nicht die 50 Prozent-Schwelle erreicht. Wir erwarten hier zum Beispiel Laminat - noch haben die meisten Leute jedoch Teppich in ihrer Wohnung. Oder wir dachten auch, dass durch die WM mehr Flachbildschirme verkauft würden. Aber das war nicht der Fall. Dafür kommen andere Dinge mit einer rührenden Wahrscheinlichkeit immer wieder: der Weihnachtsstern oder das Lichtdreieck. An Weihnachten ändert sich wenig.

Die Einrichtung des Wohnzimmers beruht zum größten Teil auf Statisiken. Wie haben Sie zum Beispiel den durchschnittlichen Musik- und Büchergeschmack der Deutschen ermittelt?

Karen Heumann: Der Bereich ist natürlich etwas willkürlicher als beispielsweise ein Teppich, weil wir da weniger Zahlen haben. Wir haben uns gefragt, was die populären Musikgeschmäcker sind. Einer davon ist die Musik aus den Charts. Und dann haben wir geguckt, welche CDs sich ein etwa 40 Jahre altes Paar kaufen würde, also eher Joe Cocker als Sid Vicious.

Was bedeutet das Wohnzimmer den Deutschen?

Heumann: Es bedeutet den Rückzug in die eigenen vier Wände. Wir Deutschen sind gern mit der Familie zusammen. Traditionen wie auch die weihnachtlichen Rituale geben uns Sicherheit.

Was findet im Agentur-Wohnzimmer statt?

Heumann: Eigentlich alles. Es ist ein Konferenzraum, der atmosphärisch sehr anders ist. Wir haben sonst Steh-Konfis mit ziemlich unbequemen Hockern. Ich bin unheimlich gern in diesem Zimmer, wenn es um persönliche Dinge wie Verträge oder Bewerbungsgespräche geht. Hier redet man anders miteinander. Die Akustik ist gedämpfter. Im Hintergrund tickt eine Wanduhr. Während der Weltmeisterschaft haben wir hier natürlich die Spiele geguckt.

Und sind weitere Wohnzimmer geplant?

Heumann: Es ist in der Vorbereitung, zusammen mit einem Kunden zu erforschen, wie ältere Menschen in Deutschland leben. Und dann wollten wir immer schon mal Deutschlands größte Minderheit abbilden, also ein "Wozi" einer türkischen Familie einrichten. Das machen wir wohl demnächst in unserer Berliner Agentur in Kreuzberg.

Finden Sie das Wohnzimmer spießig?

Heumann: Es ist lebendig wegen seiner Farben. Und es gibt durchaus viele Eigenheiten im Accessoire-Bereich. Ich finde es überhaupt nicht spießig.

Kaufen die Müllers auch bei Saturn ein?

Heumann: Ja klar. Die kaufen auch bei Media Markt ein.

Die finden also Geiz auch geil...

Heumann: Ja schon. Sie lieben wie alle Deutschen Schnäppchen. Aber die Müllers sind nicht geizig. Sie können sich schon was leisten. Den DVD-Player haben sie zwar bei Tchibo gekauft. Aber beim Flachbildfernseher wollen sie was Ordentliches haben.

Besitzen Sie privat etwas aus diesem Zimmer?

Heumann: Nein.

Nicht einmal ein Glas?

Heumann: Ich habe auch so geerbte Sammeltassen. Aber ich habe zum Beispiel nichts von Alessi... Mein Geschmack war eben immer schon sehr speziell.

Was heißt speziell?

Heumann: Es ist eher düster bei mir zu Hause.

Also, hier im Wohnzimmer würden Sie sich nicht wohlfühlen.

Heumann: Doch, ich fühle mich hier sehr wohl. Ich gucke hier zum Beispiel fast lieber fern als bei mir zu Hause. Trotzdem würde ich mich nicht so einrichten.

Interview: Vera Altrock