Schlauch flicken oder Kette spannen: Dafür brauchen Fahrradfahrer nicht immer einen Mechaniker. Billiger geht das in einer Selbsthilfewerkstatt.

Berlin. Antje Wobig von der Selbsthilfewerkstatt „Fahrradklinik“ in Berlin hat schon so einige Drahtesel kommen und fahren gesehen. Sie verbringt viel Zeit in der Werkstatt und weiß, dass ein Plattfuß am Rad, eine defekte Lichtanlage und eine haklige Schaltung die häufigsten Ursachen für Werkstattbesuche sind. „Dafür muss man sein Rad aber nicht extra zur Reparatur bringen“, ergänzt ihre Kollegin Petra Lemberg. „Jeder, der weiß, wo rechts und links ist, kann sein Fahrrad hier selber reparieren.“

Selbsthilfewerkstätten sind gerade in den Frühlings- und Sommermonaten eine gute Alternative zu Fachwerkstätten, die in diesen Jahreszeiten meist besonders prall gefüllte Auftragsbücher haben. Selbst für kleinere Reparaturen sind dann lange Wartezeiten die Regel. Das Prinzip einer Selbsthilfewerkstatt ist ganz einfach: Unter Aufsicht und Anleitung eines Mechanikers können sich Fahrradbesitzer stundenweise einen Arbeitsplatz mieten und ihr Velo selbst wieder flott machen. Das nötige Werkzeug wird gestellt, gebrauchte oder neue Ersatzteile können vor Ort gekauft werden.

Die ersten Selbsthilfewerkstätten für Fahrräder öffneten in den 80er Jahren unter dem Dach von Vereinen und Verbänden. Seit rund fünf Jahren werden es kontinuierlich mehr, vor allem in Großstädten. Hier hat sich der Drahtesel mittlerweile als ernstzunehmende Alternative zum Auto entwickelt – und entsprechend groß ist der Reparaturbedarf. Am Gesamtverkehr in Deutschland machen Fahrräder nach Erhebungen des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) bereits schon jetzt zehn Prozent aus. Eine Studie des Verkehrsministeriums in Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) hat herausgefunden, dass das Fahrrad in Deutschland für Strecken bis fünf Kilometer erste Wahl ist.

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„Viele Fahrradläden flicken doch heute keine kaputten Schläuche mehr, sondern bauen gleich neue ein“, weiß Roland Huhn, Abteilungsleiter Technik des ADFC. „Das kann am Ende schon mal zehn Euro Preisunterschied ausmachen“, sagt Huhn. Sich mit seinem Rad zu beschäftigen und ab und zu selber Hand anzulegen, hat für ihn den schönen Nebeneffekt, das Radler mit ihrem Fahrrad vertraut werden und kleine Reparaturen unterwegs auch selber erledigt können.

Drei bis fünf Euro pro Stunde kostet ein Arbeitsplatz inklusive Werkzeug in einer Selbsthilfewerkstatt, ein Mechaniker ist immer vor Ort. Der Platz sollte vorher telefonisch reserviert werden, um lange Wartezeiten zu vermeiden. Eine möglichst genaue Angabe zur Mietdauer des Arbeitsplatzes verhindert Zeitdruck und hektisches Arbeiten, gerade wenn man nicht regelmäßig am eigenen Rad schraubt.

Der Fachhandel sieht in den Selbsthilfewerkstätten „keine große Konkurrenz“, sagt Yves Plage, Geschäftsführer des Bike Market Berlin. „In Selbsthilfewerkstätten werden meistens einfache Arbeiten durchgeführt, für die komplizierteren Sachen an hochpreisigen Rädern kommen die Kunden dann doch lieber in die Fachwerkstatt“, fügt er hinzu. „Meistens sind es doch die Sparfüchse oder Bastler, die in Selbsthilfewerkstätten schrauben. Die würden ohnehin nicht in den Fachhandel kommen“, betont Stephan Röper, Zweiradmechaniker aus Hamburg.

Nach Aussage von Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad (pd-f) sehen Selbsthilfewerkstätten ihren Zweck vor allem darin, Menschen mit geringem Einkommen Mobilität zu ermöglichen und die Instandsetzung günstig gekaufter oder gebrauchter Räder zu ermöglichen. „Wir versuchen, die Leute zu bedienen, die nicht in der Lage sind, die aktuellen Reparaturpreise zu zahlen“, erläutert Matthias Schnauss vom Büro für nachhaltige Entwicklung in Berlin, das in mehreren Städten unter anderem Selbsthilfewerkstätten betreibt.

Wenn man aufs Geld gucken müsse und man die nötigen Kenntnisse hat, seien Selbsthilfewerkstätten eine echte Alternative, sagt Fehlau. Und wenn man so das ein oder andere Rad noch vor dem Schrottplatz retten kann – umso besser.

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