Der Bezirk Eimsbüttel droht einem Informatik-Studenten die Abschiebung an

Immer wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft spielt, sitzt Usama Abu Alhasan in seinem Zimmer im Studentenwohnheim vor dem Bildschirm und fiebert mit. Michael Ballack war sein Star in der DFB-Elf, jetzt sind es Manuel Neuer und Toni Kroos. Alhasan trägt eine grüne Daunenweste und den gelben Rucksack über der Schulter. „Entschuldigung“, sagt er zur Begrüßung. Er ist ein paar Minuten zu spät, die Vorlesung habe etwas länger gedauert.

Es war der 4. August 2012, als Alhasan am Flughafen in Frankfurt ankam. Am Ziel. Und raus aus dem Krieg, der gerade seine Heimat Syrien zerstört. Mehr als 100.000 Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen bei den Gefechten zwischen den Truppen von Herrscher Baschar al-Assad und den Rebellen der Freien Syrischen Armee getötet worden sein.

Usama Abu Alhasan aber soll bis Ende des Jahres Deutschland wieder verlassen. Für den Fall, dass er nicht bis zum 29. Dezember 2013 ausgereist sein sollte, werde „ihm hiermit die Abschiebung ins Herkunftsland (Syrien, Arabische Republik) angedroht“, schreibt das Bezirksamt Eimsbüttel Ende September. Die Behörde droht mit einer Abschiebung zurück in den Krieg.

Alhasan ist kein Flüchtling – obwohl er dem Krieg entkommen ist. Er ist 26 Jahre alt und studiert im zweiten Semester Informatik an der Universität Hamburg. Alhasan spricht mit einem starken Akzent, manchmal sucht er nach den richtigen Worten. Aber er spricht Deutsch. Alhasan könnte seine Geschichte auch auf Englisch erzählen. Aber er wolle Deutsch sprechen, sagt er, schließlich lebe er hier.

In seinem Studium geht es viel um Mathematik, Software-Entwicklung und Wirtschaftsrecht. Jeden Tag habe er Vorlesungen oder Seminare, oft auch bis abends. Danach arbeitet er seit einiger Zeit in einem Restaurant in Eimsbüttel als Küchenhilfe. Aus seinem Rucksack holt er eine Gehaltsabrechnung. 700 Euro verdient Alhasan im Monat, 30 Stunden in der Woche arbeite er in dem Restaurant, sagt er. Das wären knapp sechs Euro Stundenlohn. Im Schatten der Debatte um die Gruppe der Lampedusa-Flüchtlinge gibt es in Hamburg auch solche Geschichten. Geschichten über Einzelkämpfer, die in der Stadt kaum jemand bemerkt.

In einer durchsichtigen Folie trägt Alhasan seinen Ausweis immer bei sich. Das Wappen der Syrischen Republik ist auf das blaue Papier gedruckt, ein goldener Habicht. Darunter steht: „Travel Document For Palestinian Refugees“, ein Reisepass für Flüchtlinge aus Palästina. Und damit beginnt Alhasans Problem. Sein Pass ist seit diesem Sommer abgelaufen. Alhasans Familie floh 1948 aus Palästina nach Syrien. Seine Eltern sind in Damaskus geboren, genauso wie er selbst und seine vier Brüder. Sie sind bis heute keine syrischen Staatsbürger – obwohl sie mit ihrem Flüchtlingspass fast dieselben Rechte genießen.

In Deutschland allerdings nicht. In der Anordnung 02/2013 hat die Hamburger Innenbehörde festgelegt, dass Studenten aus Syrien zwei Jahre Aufenthalt in Deutschland gewährt wird, und dieser sogenannte Aufenthaltstitel auch verlängert werden kann. Überhaupt gilt: Wer als einer der 5000 Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland kommt, darf ohne Asylverfahren auf jeden Fall für zwei Jahre bleiben. Und erhält eine Arbeitserlaubnis.

Alhasan aber ist kein syrischer Staatsbürger. Er fällt durch das Raster der Gesetze. Seitdem sein Reisepass abgelaufen ist, erzählt er, habe er auch kein Geld mehr von seiner Familie in Syrien per Geldtransfer erhalten können. Der Vater hatte vor dem Krieg als Ingenieur gearbeitet und seine Firma verkauft. Er schickte dem Sohn Geld. Doch das ging dann nicht mehr. „Die syrische Botschaft kann derzeit meinen Reisepass nicht verlängern.“ Weil der Postverkehr nach Damaskus nicht funktioniere.

Laut den Unterlagen des Amtes, die dem Abendblatt vorliegen, gab es mehrere Gespräche mit Alhasan im Bezirksamt. Wer als Ausländer in Deutschland studiert, benötigt laut Behörden mindestens 659 Euro im Monat zum Leben. Alhasan half bei einem Personaldienstleister aus, verdiente nach eigenen Angaben 500 Euro im Monat. Das reiche nicht, stellte die Behörde fest. BAföG erhält Alhasan nicht. Seit dem 10. Oktober 2013 ist sein Aufenthaltsrecht abgelaufen. „Staatsangehörigkeit: unbekannt“, steht im Brief der Behörde. Zwischen Krieg in Syrien und dem Kampf mit den Behörden in Hamburg versackt Alhasan im Niemandsland. Eine Sprecherin äußert sich zu dem Verfahren aus Gründen des Datenschutzes nicht.

Alhasan hat Pläne: Das Studium in Deutschland will er beenden, dann vielleicht die Promotion oder aber eine Arbeit suchen. „Ich lebe hier in Deutschland meinen Traum.“ Derzeit entscheidet die Rechtsabteilung des Bezirksamts über diesen Traum.

Wir sind empört darüber, wie blind hier einfach die Gesetze angewendet werden.