Seevetal. Der Salat- und Gemüseproduzent Rudolf Behr spricht im Podcast über die Vorteile wahrer Größe und Naturschutz.

Nicht nur deutsche Urlauber zieht es in gewöhnlichen Wintern unter die spanische Sonne, auch Millionen Salatköpfe fühlen sich dort in der kalten Jahreszeit wohler. Bei der Behr AG, einem der größten Salat- und Gemüseproduzenten Deutschlands, geht die heimische Ernte von tagfrischem Grünzeug allmählich in die Winterruhe. Gleichzeitig beschleunigt der Betriebszweig in der spanischen Provinz Murcia auf volle Touren.

„In den ersten Novemberwochen wechselt die Produktion nach Spanien. Dann kommt hier bei uns nur noch Lagergemüse, zum Beispiel die Kohlarten, Steckrüben, Sellerie, Porree. Die werden jetzt nach und nach reingeholt, weil es draußen zu nass wird“, sagt Rudolf Behr, Gast beim Abendblatt-Ernährungs-Podcast „Schmeckt‘s?“. Er führt in vierter Generation das Seevetaler Unternehmen, in dem 500 festangestellte Mitarbeiter und saisonal 1200 Erntehelfer am Werk sind.

Salatköpfe: Geerntet wird nach Bestelllage

Vor rund 120 Jahren bauten die Vorfahren im Elbdorf Rosenweide (Gemeinde Stelle) auf 1,5 Hektar Gemüse an, schipperten es zunächst nach Altona und fuhren es, als 1962 der Hamburger Großmarkt eröffnet wurde, in die Stadt.

Nach und nach kamen die großen Lebensmittelketten ins Spiel. „Wir konnten gar nicht so schnell laufen, wie wir laufen mussten. Uns wurde gesagt: ,Wenn Du uns weiter beliefern willst, dann musst Du mehr machen.‘ Denn die Ware sollte an viele Geschäfte, später sogar bundesweit, ausgeliefert werden.“ Heute haben die fünf Produktionsbetriebe in Stelle und Seevetal, in Mecklenburg, Hessen und Spanien insgesamt eine Anbaufläche von 4000 Hektar.

Geerntet wird nach Bestelllage. „Wenn in Kochsendungen oder Magazinen ein Gemüse gehypt wird, dann ist das auf einmal Trend“, so Behr. „Das war vor Jahren so mit den Pastinaken, da waren wir gar nicht drauf vorbereitet. Ingwer ist im Augenblick ein Thema. 2019 war Staudensellerie riesig gefragt. Wenn plötzlich erheblich mehr von einem Gemüse nachgefragt wird, dann sind auch wir als großer Produzent irgendwann am Ende. Dann muss man alle Bestellungen kürzen. Oder nachpflanzen. Aber Staudensellerie kann erst nach 15, 16 Wochen geerntet werden.“

Salat-Erfolgsrezept: Viel per Hand hacken

In den 1980er-Jahren hat Behr den nordamerikanischen Eisbergsalat populär gemacht. Er ließ die Köpfe in Folie einwickeln, das sicherte Frische und Qualität. Heute verkauft das Unternehmen 60 Millionen Eisbergsalate im Jahr. Und 70 Millionen Mini-Romana. Die neueste Innovation ist das Mikrowellengemüse: Brokkoli, Blumenkohl und Spitzkohl werden auf dem Feld gleich in Mikrowellenfolie verpackt.

Behr: „Die können Sie so wie sie sind in die Mikrowelle tun, nach fünf Minuten ist das Gemüse fertig. Man kann es gut ins Büro mitnehmen, wenn dort eine Mikrowelle steht. Sie brauchen dann nur noch Salz, Pfeffer, Butter oder was immer Sie wollen und haben eine fertige Gemüsemahlzeit. Geht natürlich auch im Homeoffice. Mikrowellengemüse ist so wesentlich vitaminreicher als gekochtes.“ Behr selbst isst auch gern gebratenes Gemüse.

300 der 4000 Hektar Anbaufläche bewirtschaftet die Behr AG ökologisch. Behr: „Dort gibt es keine unkrautvernichtenden Mittel, sodass viel per Hand gehackt werden muss. Ansonsten nähern wir uns im Bio-Anbau immer stärker dem konventionellen Anbau an. Es ist ja nicht verboten, Technik einzusetzen. Wenn die Flächen groß genug sind, um teure Geräte einsetzen zu können, dann bringt das enorme Vorteile. Heute kann eine Kamera erkennen, wo genau die Pflanze steht. Wir haben zwei Hackmaschinen im Einsatz, die mit einer Arbeitsbreite von zwölf Metern 31 Pflanzenreihen anschauen und rund um die Pflanzen Unkraut hacken.“

Im konventionellen Bereich, so Behr, seien Hightech-Maschinen wichtig, um Dünger und Pflanzenschutz zielgenau applizieren zu können.

Mehr Naturschutz in der Landwirtschaft?

Der Firmenchef ist sicher, dass es angesichts der 7,8 Milliarden Menschen auf unserem Planeten ohne intensive Landwirtschaft nicht geht. „Aber wir brauchen auch einen intensiven Naturschutz“, sagt er. „Der Natur bleiben zu wenig Flächen, um Artenvielfalt selbst zu erhalten. Wir müssen sie unterstützen!“ Daran arbeite sein Unternehmen schon lange, versichert Behr.

Derzeit laufe eine Studie mit dem Leibniz-Institut in Großbeeren bei Erfurt über das Verhalten von Insekten: „Denen fehlen einjährige Kräuter. Kräuter, die früher zwischen den Kulturpflanzen gestanden haben, und auf die sich einige Arten spezialisiert haben. Die werden heute weggespritzt und weggehackt. Wir wollen herausfinden, welche Distanz zwischen den Blühstreifen die Insekten maximal überwinden können und Anflugstationen bieten.

Wirtschaftlich spielt das bisschen Kulturland, das wir für eine Vernetzung der blühenden Flächen brauchen, keine Rolle. Wir müssen nur genauer wissen, wie wir solche Streifen anlegen sollten, welche Saatmischungen die besten sind und so weiter.“

Salatkopf-Guru kein Freund von Regionalität

Von regionaler Versorgung hält Behr, der ganz Deutschland beliefert und Ware exportiert, wenig. Regionalität sei nicht nachhaltiger als die überregionale Versorgung, weil letztere meist in größeren Strukturen arbeite: „Wir haben ein Zwölf-Meter-System, da fahren wir einmal durch. Bei kleinteiligem Anbau mit Zwei-Meter-Streifen müssen Sie für dieselbe Flächengröße sechsmal fahren. Wir sparen Pflanzenschutz- und Düngemittel, der Bodendruck ist nur ein Sechstel.“ Diese Vorteile werden nicht durch längere Transportwege wettgemacht, so Behr. Allerdings sei es wichtig, das Gemüse in einem Tag ans Ziel zu bringen.

Nachteile drohen auch bei heißen Sommern. Behr: „Die meisten Gemüse möchten die Nächte unter 15 Grad haben und die Tage nicht über 25. Wenn es über längere Zeit tagsüber mehr als 30 Grad heiß ist und nachts nicht unter 20 Grad abkühlt, dann spielen die Pflanzen genetisch verrückt. Ein Salat zum Beispiel geht dann in Blüte, um sich trotz widriger Verhältnisse zu vermehren. Sobald die Pflanzen statt Blätter Blüten bilden, werden die Blätter bitter, um sich gegen Wildverbiss zu schützen.“

Und was das Reh nicht mag, wollen auch die Menschen nicht essen. Kinder schon gar nicht. Rudolf Behr bleibt gelassen: „Man kann sie gut an Gemüse gewöhnen, zum Beispiel Möhren, Gürkchen oder Kohlrabi in Pommes-Stäbchen-Form als Schulsnack mitgeben. Wenn der Geschmack entsprechend gebildet ist, dann bleibt man auch dabei.“