Ein Zeuge war der Täter. Viele hundert Spuren und Hinweise der Fahnder nach der tödlichen Holzklotz-Attacke bei Oldenburg führten ins Leere. Doch gut zwei Monate nach der tödlichen Attacke hat die Sonderkommission „Brücke“ nun am Mittwoch einen 30-jährigen Mann festgenommen und das Verbrechen vom Ostersonntag aufgeklärt.

Oldenburg. "Wir sind erleichtert. Ein Stück Last ist von unseren Schultern gefallen", sagt der Leiter der Polizeiinspektion Oldenburg Stadt/Ammerland, Johann Kühme.

Nach wenigen Stunden Verhör gestand der Mann das grausige Verbrechen in vollen Umfang. Er gab zu, den Holzklotz von einer Autobahnbrücke nahe Oldenburg auf ein Auto geworfen und damit eine 33-jährige Mutter zweier Kinder getötet zu haben. Der Vorwurf lautetauf Mord und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Das Mordmerkmal ist für die Staatsanwaltschaft Heimtücke - das Opfer hatte keine Chance.

In Sekundenbruchteilen zerstört Nikolai H. am Ostersonntag das Glück einer jungen Familie. Auf der Rückreise von einem Osterurlaub erschlägt gegen 20.00 Uhr der sechs Kilo schwere Klotz auf dem Beifahrersitz eines Autos die 33-Jährige aus dem nordrhein- westfälischen Telgte vor den Augen ihrer beiden Kinder und ihres Mannes. Als Motiv gibt der 30-Jährige, ein Kasache mit deutschem Pass, an: "Allgemeiner Frust." Nähere Angaben wollen die Fahnder zu den Motiven des vorbestraften Heroinabhängigen zunächst nicht machen. Auch, ob er während der grausigen Tat unter Drogen stand, ist bislang unklar. Er sitzt in Untersuchungshaft.

"Er sagte, er wäre dort alleine gewesen", berichtet Kühme. "Die Tat hat ihm schon Leid getan, zumindest hat er das geäußert", ergänzte Soko-Chef Reiner Gerke.

"Er hat sich selbst ins Spiel gebracht", sagt Gerke. Nikolai H. aus Rastede bei Oldenburg meldet sich am 5. April bei den Beamten als Zeuge, zwei Tage nachdem in den Medien das Thema Massengentest erörtert wird. Zu diesem Zeitpunkt suchen die Fahnder mit einem Phantombild nach einer vier- bis fünf-köpfigen Gruppe junger Leute. Doch das Bild bleibt ein Phantom. Die Jugendlichen, die von mehr als zehn Zeugen gesehen wurden, haben sich bis heute nicht gemeldet. Mit ihnen will die Polizei dennoch reden, um Details der tragischen Geschehnisse am Ostersonntag zu klären. "Wir haben uns die Gruppe Jugendlicher ja nicht ausgedacht", sagt Kühme.

Nikolai H. verstrickt sich als Zeuge bei den Gesprächen mit den Beamten in Widersprüche. Eine Aussage hat die Ermittler besonders "stutzig gemacht", sagt der Leitende Staatsanwalt Roland Herrmann. Ausgerechnet jemand, der seit zehn Jahren von harten Drogen abhängig ist, soll auf dem Weg zu seinem Dealer von dem Fahrrad absteigen und einen Holzklotz vorsichtshalber von der Fahrbahn räumen. Seine Ausführungen "ließen bei uns von Anfang an den Verdacht aufkommen, dass er mit der Tat zu tun haben könnte."

Und auch auf auf dem Grundstück des 30-Jährigen werden die Ermittler fündig. Dort entdecken sie Holzklötze, die von der Beschaffenheit, der Größe und dem Verwitterungszustand der Mordwaffe ähneln. Bodenproben bringen schließlich mehr Gewissheit und Anfang der Woche kommt grünes Licht der Spurenspezialisten. Der Klotz stammt "wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich" vom Grundstück des 30- Jährigen. Dieser ist bei der Polizei kein Unbekannter, mehrfach war er wegen kleinerer Diebstähle aufgefallen, außerdem saß er eineinhalb Jahr in Haft.

Den Tatverdächtigen ist nach Angaben der Ermittler vor 16 Jahren aus Kasachstan gekommen, hat kurz nach seinem Schulabschluss einige Male als einfacher Arbeiter gearbeitet, hat allerdings keine Berufsausbildung. Derzeit lebt der 30-Jährige von der Sozialhilfe. Zahlreiche Indizien hätten dazu geführt, dass gegen den Mann bereits am Dienstag ein Haftbefehl beantragt worden sei, sagt Herrmann. Am Mittwoch schließlich greifen die Fahnder zu.

Die Horrorszene vom Ostersonntag hatte ganz Deutschland geschockt und Angst unter Autofahrern verbreitet. Seit der Tragödie trieb eine Reihe von Nachahmungstätern in Deutschland ihr Unwesen. Aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa geht hervor, dass direkt nach der tödlichen Attacke 60 Prozent der Befragten Angst vor Anschlägen von Brücken auf der Autobahn hatten.