Fieberhaft arbeiten die Behörden an einer Lösung des Falles. Die Polizei hat zwei verdächtige Vietnamesen – aber immer noch kein Motiv. Und auch ob die asiatische Mafia die Familie ermorden ließ, bleibt Spekulation. Eine Spur führt jetzt nach Berlin: Vietnamesische Schmuggler hatten dort in den 90er Jahren ihre Opfer auf ähnliche Weise hingerichtet.

Hannover. Drei Tage nach dem Blutbad in einem China-Lokal im niedersächsischen Sittensen hat die Polizei alle sieben Todesopfer identifiziert, tappt aber bei den Hintergründen weiter im Dunkeln. "Wir ermitteln in alle Richtungen", sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Ob möglicherweise vietnamesische Banden hinter dem kaltblütigen Verbrechen stecken, wollte er nicht kommentieren. Die beiden 31 und 33 Jahre alten Verdächtigen, die die Ermittler bereits am Montag verhaftet hatten, sind Vietnamesen. Nach Angaben ihrer Anwälte bestreiten sie eine Beteiligung an der Tat. Gegen sie war Haftbefehl wegen Mordes erlassen worden. In Vernehmung mit der Polizei haben die Männer bislang beharrlich geschwiegen.

Auch zwei der Opfer, eine 38 Jahre alte Kellnerin und ein 32 Jahre alter Küchenhelfer, kamen aus Vietnam. Außerdem wurden in der Nacht zum Montag ein 57 Jahre alter Koch aus Hongkong erschossen, sowie das Betreiber-Ehepaar, eine Kellnerin aus Malaysia und ein thailändischer Koch. Die Identifizierung der Opfer habe mehrere Tage gedauert, weil einige der Erschossenen keine Ausweise bei sich gehabt hätten, teilte die Polizei mit.

Spezialisten untersuchten auch am Donnerstag weiter akribisch den Tatort. Inzwischen gehen die Ermittler nach eigenen Angaben mehr als 200 Spuren und Hinweisen nach. Die Ermittlungen seien - allein wegen der Herkunft der Getöteten und Verhafteten - international ausgedehnt worden. Nähere Angaben machte die Polizei nicht.

Beide Tatverdächtigen legten Haftbeschwerde ein Der Verteidiger eines tatverdächtigen Vietnamesen, die in Bremen wohnten, hat inzwischen Haftbeschwerde eingelegt. "Mein Mandant hat mir gesagt, er habe mit der Sache nichts zu tun und sein Freund auch nicht", sagte der Bremer Rechtsanwalt Wilfried Behrendt der dpa. Beide Verdächtige werden von einer Bremer Kanzlei vertreten. Sein Kollege werde ebenfalls Haftbeschwerde beim Amtsgericht Wildeshausen einlegen. Der Anwalt hat Akteneinsicht beantragt. Erst danach könne er vielleicht weitere Auskünfte geben.

Einer der Verdächtigen soll polizeibekannt sein. Der Anwalt bestätigte, dass er seinen Klienten schon seit längerem vertritt. In welchen Angelegenheiten sagte er nicht.

Der zweite Vietnamese wohnte anscheinend erst seit kurzem im selben Haus in einem Neubaugebiet im Bremer Stadtteil Osterholz. Zuvor lebte er in Ahlhorn. Die Polizei hatte am Dienstag die Wohnungen in beiden Städten durchsucht. Es seien Unterlagen beschlagnahmt worden, die noch ausgewertet werden müssten, hieß es. Nähere Angaben dazu gab es nicht.

Der Chinaforscher Prof. Barend ter Haar erwartet schwierige und langwierige Ermittlungen der Polizei. "Innerhalb der asiatischen Gemeinschaft wird die Polizei auf eine Mauer des Schweigens stoßen", sagte der Sinologe von der Universität Leiden (Niederlande) in einem dpa-Gespräch. "Das ist eine außergewöhnlich grausame Tat", sagte ter Haar. Die chinesische Mafia zum Beispiel bediene sich eher der Körperverletzung oder Entführung, um ihre Ziele wie Schutzgelderpressung durchzusetzen. Schutzgelderpressung als Motiv ist nach Ansicht des Experten fast ausgeschlossen. "Ich erschieße doch nicht die Kuh, die ich melke."

Ähnlichkeiten zu Morden in Berlin
In den 90er Jahre lieferten sich in Berlin und Sachsen vietnamesische Banden blutige Schlachten um den illegalen Zigarettenmarkt. Unzählige Bandenmitglieder wurden regelrecht hingerichtet. Zum Teil waren sie gefesselt und mit Kopfschüssen getötet worden - ähnlich wie bei der Bluttat von Sittensen. Mehrere Bandenmitglieder wurden wegen Mordes und versuchten Mordes zu hohen Haftstrafen verurteilt. Zu Medienberichten über gefundene Indizien wollte die Polizei keine näheren Angaben machen. Laut BILD handelt es sich bei dem im Wagen der Verdächtigen gefundenen Zettel um einen handgezeichneten detaillierten Lageplan des China-Restaurants. "Das können wir nicht dementieren und nicht bestätigen", sagte Polizeisprecher Steinke. Auch zu Berichten, wonach sich in dem Auto Schmuck befunden haben sollen, wollte er zunächst nichts sagen.