Weil sie mit einem „kapitalen ärztlichen Kunstfehler“ den Tod eines Vierjährigen verursacht hat, muss eine Medizinerin ins Gefängnis. Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek verurteilte die Narkoseärztin wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr und zehn Monaten Haft und einem fünfjährigen Berufsverbot.

Hamburg. Die Angeklagte habe zudem noch versucht, ihren Fehler zu vertuschen und Kollegen eine Mitschuld anzuhängen, sagte der Richter Maximilian Rehder.

Die 49-Jährige hatte im August 2006 in einem Kinderkrankenhaus einem ambulant operierten Jungen eine viel zu hoch dosierte Glukoseinfusion gegeben habe, die zu einer Hirnschwellung und später zum Tod führte.

Das Gericht machte in der Urteilsbegründung deutlich: "Das einzige, was wir hier nicht haben, ist eine Verkettung unglücklicher Umstände." Man habe es auch nicht mit dem typischen Fall eines überarbeiteten Klinikarztes zu tun. "Es handelt sich um einen ganz kapitalen ärztlichen Kunstfehler", sagte der Richter.

Strafschärfend wertete das Gericht, dass die Ärztin sich in zweieinhalb Jahren nicht in angemessener Form bei der Familie des verstorbenen Franjo entschuldigt habe. Dessen Mutter nahm das unerwartet harte Urteil mit Tränen der Erleichterung auf.

Mit seinem Urteil ging das Gericht über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus, die 18 Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe von 10.000 Euro gefordert hatte. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert.

Der Vierjährige war im August 2006 an der Vorhaut operiert worden. In der Überwachungsphase nach der Operation wurde ihm übel und er bekam Fieber. Die Angeklagte schloss das Kind daraufhin an einen Infusionsautomaten mit einer 500-Milliliter-Flasche einer 40-prozentigen Glukose-Lösung an. Innerhalb der nächsten Stunde wurde ihm der gesamte Flascheninhalt verabreicht, was zu einer Hirnschwellung und Einklemmung des Stammhirns mit irreparablen Hirnschäden führte. Vier Tage später starb das Kind.

Der Aussage der Angeklagten, sie habe die Infusion nach drei Minuten abstellen wollen, sei dann aber zu einem Notfall gerufen worden, glaubte der Richter nicht. Damit schloss er sich der Einschätzung der Staatsanwältin an. Diese hatte in ihrem Plädoyer betont: "Die Bemerkung zur Mutter, sie werde die Infusion jetzt durchlaufen lassen und nach einer halben bis dreiviertel Stunde wiederkommen, impliziert für mich, dass die Angeklagte schlicht einen Fehler gemacht hat."

Die Verteidigung hingegen hatte erklärt, die 49-Jährige habe den mitbehandelnden Ärzten gesagt, Glukose gegeben zu haben. Aber niemand habe dementsprechend gehandelt. Zuvor hatten jedoch zwei Sachverständige erklärt, der Junge sei mit der Gabe der Glukoselösung "todgeweiht" gewesen. Unter dem Druck der dadurch ausgelösten Hirnschwellung hatten sich nach Angaben eines der Sachverständigen die Schädelnähte bis zu einem Zentimeter gedehnt.

Auch ein Kollege der Angeklagten, der Franjo nach der Überdosis behandelt hatte, widersprach Angaben der 49-Jährigen. Ebenso wie zuvor befragte Kollegen sagte er aus, die Ärztin habe ihn nicht über die Glukosedosis informiert.

Der Richter sagte, niemand außer der Angeklagten habe sich falsch verhalten. Die anderen Ärzte hätten nichts anderes tun können, da ihnen ganz wesentliche Informationen vorenthalten worden seien.