Schuften wie ein Pferd und trotzdem zu wenig Geld zum Leben: Arbeitsminister Olaf Scholz zeichnet ein düsteres Bild der deutschen Einkommensverhältnisse.

Berlin. Jeder achte Mensch in Deutschland gilt nach Angaben von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz als arm. Insgesamt jeder vierte ist zumindest von starker Geldnot betroffen oder muss durch staatliche Leistung davor bewahrt werden, wie der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag" mit Blick auf den Armutsbericht der Bundesregierung sagte, der Anfang der Woche vorgestellt werden soll.

Zugleich habe sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet. "Die Einkünfte der Reichen sind gewachsen, dagegen sinken die Einkommen im unteren Bereich leicht, im mittleren stagnieren sie", sagte er dem Blatt. "Arm ist, so definiert es die EU, wer als Alleinlebender weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient, also 781 Euro netto", sagte Scholz dem Blatt. Als reich gelte dagegen, wer als Alleinlebender im Monat netto mehr als 3418 Euro zur Verfügung habe oder als Familie mit zwei Kindern mehr als 7178 Euro netto im Monat.

"Besonders bedrückend bleibt für mich, dass die Zahl derjenigen, die arbeiten und sich trotzdem im Armutsrisikobereich befinden, größer geworden ist. Das zeigt: Wir haben zu niedrige Löhne in Deutschland und brauchen Mindestlöhne", sagte Scholz.

Doch zeige das Eingreifen des Sozialstaats Wirkung: "Wenn es die Sozialttransfers wie Arbeitslosengeld II, Wohn- oder Kindergeld nicht gäbe, dann hätten wir statt 13 Prozent 26 Prozent Arme", sagte Scholz dem Blatt.

Am schlimmsten ist die Lage nach Einschätzung des Ministers für Langzeitarbeitslose und Alleinerziehende und deren Kinder. "Allerdings: Haben die Eltern Arbeit, sinkt das Armutsrisiko auf nur noch vier Prozent der Haushalte mit Kindern", betonte der SPD-Politiker. Es sei also richtig, "wenn wir es mit dem Ausbau der Kinderbetreuung den alleinerziehenden Eltern leichter machen, eine Arbeit zu finden".

Auch wenn es mittlerweile gelungen sei, die "physische Form der Armut", etwa Wohnungslosigkeit, in den Griff zu bekommen, sei Armut heutzutage nichts Abstraktes. "Die Betroffen merken das schon. Es tut weh, wenn man auf jeden Cent achten muss", sagte Scholz. Das Schlimmste sei aber, "wenn das Gefühl dazukommt: Ich kann an meiner Lage nichts ändern, ich habe keine Chance mein Leben zu verbessern".

Zum Zusammenhang zwischen Armut und dem Sterberisiko sagte Scholz: "Wer sehr wenig Geld hat, hat statistisch kürzere Lebensaussichten als Menschen mit hohen Einkommen." Darum sei der Sozialstaat nicht überflüssig, "wie einige meinen, sondern überlebensnotwendig für die Betroffenen".

Der Sozialstaat koste aber auch Geld. Deshalb verwundert ihn nach eigenen Worten die Diskussion über mögliche Steuererleichterungen. Die umstrittenen Steuerpläne der CSU seien nur auf zwei Weisen zu bezahlen: "Entweder mit einem massiven Anstieg der Staatsverschuldung oder durch einen Kahlschlag bei Rentnern und Arbeitslosen. Beides kommt nicht infrage", betonte der Minister.