Zeugen beschreiben den dramatischen Zustand der verhungerten Lea-Sophie: Sie hat nach Ansicht eines Kinderarztes schon mindestens zwei Wochen vor ihrem Tod nicht mehr selbst laufen können, ihr Körper sei von offenen Wunden gekennzeichnet gewesen.

Schwerin. Auch wenn die 24-jährige Mutter im Mordprozess vor dem Schweriner Landgericht bislang schweigt, scheint doch eines klar zu sein: Der dramatische Zustand ihrer Tochter Lea-Sophie in den letzten Lebenswochen muss auch für die wegen Mordes angeklagten Eltern ganz offenkundig gewesen sein. Rettungssanitäter, Ärzte, Polizisten - viele mit jahrzehntelanger Berufserfahrung - kostete es als Zeugen Überwindung, das fünf Jahre alte Kind zu beschreiben: Abgemagert bis auf die Knochen, die Haare ausgefallen, ein Liegegeschwür extremen Ausmaßes am Rücken. "Das war das schlimmste, was ich je gesehen habe", äußerten Zeugen gleichlautend. Sie hatten das Kind an dessen Todestag am 20. November zum ersten Mal gesehen.

Die Eltern müssen sich seit Mitte April vor dem Schweriner Landgericht wegen Mordes durch Unterlassen und der Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten. Am Freitag ist nach sechs Verhandlungstagen die Zeugenvernehmung vorläufig abgeschlossen worden. Nach 14-tägiger Unterbrechung wird der Prozess Anfang Juni fortgesetzt. Ein Urteil wird für Ende Juni erwartet.

Der 26-jährige Vater hatte zu Prozessbeginn in einer Erklärung bekundet: "Ich habe als Vater versagt." Für Kindererziehung und Haushalt sei seine Frau zuständig gewesen. Die Angeklagte hat in früheren Vernehmungen ihren Partner als einerseits dominant, andererseits desinteressiert beschrieben. Sie habe sich "komplex über ihn beklagt", sagte ein Staatsanwalt am Freitag als Zeuge. Auf seine Frage, warum sie sich nicht von ihm getrennt, sondern stattdessen Ende September noch ein gemeinsames Baby auf die Welt gebracht habe, habe sie gesagt: "Es gab auch schöne Momente." Er habe das Gefühl gehabt, dass sie dem Vater von Lea-Sophie Schuld zuschieben wollte, erklärte der Staatsanwalt im Zeugenstand.

Lea-Sophies Vater, immer im schwarzen Anzug, hielt meist den Blick gesenkt. Auch als am Freitag ein Polizeivideo im Saal mit Aufnahmen aus der Wohnung gezeigt wurde, sah er kaum auf. Das in rosa gehaltene Kinderzimmer des Mädchens war aufgeräumt und voll mit Spielzeug, ordentlich aufgereiht in den Regalen. Das Bett war gemacht und offensichtlich unbenutzt. Das Video zeigte auch einen vollen Kühlschrank und Pflegeprodukte für Babys. Lea-Sophies damals knapp zwei Monate alter Bruder war den Angaben nach gut gepflegt und wohlgenährt.

Lea-Sophie war am 20. November 2007 nach einem Notruf ihres Vaters ins Krankenhaus gebracht worden und noch in der gleichen Nacht gestorben. Das Kind wog nur noch 7,4 Kilogramm, knapp die Hälfte des Normalgewichts für eine Fünfjährige. Mangelnde Ernährung, unzureichende Flüssigkeitszufuhr und äußerst schmerzhafte Geschwüre führten laut Obduktionsbericht zum Tod. Einer Polizistin hatte die Mutter erklärt, dass sie das Kind noch am Vormittag des Todestages gewickelt habe. Am Abend soll es noch im Kinderzimmer gespielt haben.

Lea-Sophie habe mindestens zwei Wochen vor ihrem Tod schon nicht mehr laufen können, sagte dagegen am Freitag ein Kinderarzt als Zeuge. Die Muskulatur sei bereits zu stark verändert gewesen, habe er damals in der Notaufnahme festgestellt. Zudem habe das Kind an Gesäß und Rücken eine offene Wunde gehabt. "Ein Liegegeschwür dieses Ausmaßes bei einem so extrem abgemagerten Patienten hatte ich bis dahin noch nicht gesehen", sagte der Arzt.

Die Mutter wird nach Angaben ihres Verteidigers im Laufe des Prozesses doch noch selbst aussagen oder eine Erklärung abgeben. Im Juni sollen auch die vier Sachverständigen befragt werden, darunter ein Gerichtsmediziner und zwei Psychiater.