Während Benita Ferrero-Waldner über einen Boykott der Olympischen Spiele nachdenkt, macht sich die ARD Gedanken über einen Ausstieg aus der Berichterstattung über die Spiele. Dieser träfe allerdings nur ein, wenn Peking die Arbeiten der Journalisten einschränkte.

Berlin. Die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hat China mit einem Boykott der Olympischen Spiele gedroht: "Wir sollten uns genau anschauen, wie sich Peking in den nächsten Wochen verhält und dann über Boykottmaßnahmen entscheiden", sagte Ferrero-Waldner der "Bild am Sonntag".

"Die Olympischen Spiele können nach meiner festen Überzeugung nur in einem Umfeld stattfinden, das den olympischen Geist widerspiegelt. Dazu gehört die Respektierung der Menschenrechte, ebenso die uneingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit", wurde sie weiter zitiert.

Ferrero-Waldner rief zu weltweiten Tibet-Demonstrationen auf: "Die Menschen sollten die klare Botschaft, die wir nach Peking senden, unterstützen. Ich habe viel Sympathie für friedliche Demonstrationen in den Städten Europas und der Welt."

Die österreichische EU-Kommissarin forderte, die chinesische Regierung müsse Verhandlungen mit Vertretern des Dalai Lama aufnehmen "mit dem Ziel, die Diskriminierung des tibetischen Volkes zu beenden". Die Gewalt gegen friedliche Demonstranten "muss ein Ende haben".

Zugleich erinnerte sie an die Verantwortung der Wirtschaft: "Unternehmer, die in China tätig sind, sollten in besonderer Weise die Achtung der Menschenrechte einfordern", sagte sie. "Man kann Geschäfte nicht von heute auf morgen abdrehen. Aber in einer Situation, wie sie in Tibet herrscht, haben auch Unternehmen eine Verantwortung."

Trotz anhaltender Gewalt in Tibet hatten die großen EU-Staaten am Freitag einen Boykott der Olympischen Spiele in Peking weiterhin abgelehnt. "Ein Nein zu Olympia, um sich das Gewissen zu erleichtern, ist weder eine Hilfe für die Menschen in China noch eine Hilfe für die Sportverbände", hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier vor einem Treffen mit seinen EU-Kollegen im slowenischen Brdo gesagt. Ähnlich hatten sich die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens geäußert.

Ausstieg aus Olympia-Berichterstattung?

Die ARD schließt einen Ausstieg aus der Berichterstattung von den Olympischen Spielen in Peking für den Fall nicht aus, dass die Arbeitsmöglichkeiten der Kamerateams eingeschränkt werden. Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff sagte in einem "Spiegel"-Vorabbericht, zurzeit gehe er davon aus, dass ARD und ZDF wie geplant berichten werden.

"Wir werden jedoch genau beobachten, ob unsere Freiheit der Berichterstattung eingeschränkt wird", wurde er zitiert. Sollte dies der Fall sein, sei neu zu prüfen, "ob wir unseren rechtlichen Verpflichtungen auf Berichterstattung in vollem Umfang nachkommen können".

Er sehe keinen Sinn darin, mit einem Fernsehboykott der Olympischen Spiele in Peking zu drohen. "Das ist bislang nur ein Wettbewerb um die beste Schlagzeile", wurde Raff zitiert.

Die WDR-Intendantin Monika Piel sprach sich laut einem "Focus"-Vorabbericht ebenfalls dafür aus, eine Entscheidung über einen Boykott "offen zu lassen". Würden etwa die Arbeitsmöglichkeiten für ARD-Kamerateams eingeschränkt, "müssen wir über die Berichterstattung neu nachdenken", wurde sie zitiert. Piel bezeichnete die Menschenrechtsverletzungen in Tibet als "kulturellen Genozid".