Vattenfall will Vertrauen zurückgewinnen. Verbraucherzentralen und der Deutsche Mieterbund rufen zum Anbieter- und Stromtarif-Wechsel auf. Der so entstehende Preisdruck soll den Wettbewerb unter den etwa 900 Stromanbietern in Deutschland aufwirbeln.

Berlin. Nach seinen Strompreiserhöhungen zum 1.Juli hat der Vattenfall-Konzern in Hamburg weitere Kunden verloren. So ist seit den Tariferhöhungen der Marktanteil in Hamburg um vier Punkte auf 86 Prozent, in Berlin ebenfalls um vier Punkte auf 80 Prozent zurückgegangen. Deutschlands viertgrößter Stromkonzern wolle eine "Antwort auf die Wettbewerber" geben. ""Der Kunde ist König" muss unser Motto sein", sagte neue Vorstandschef Hans-Jürgen Cramer auf der Hauptversammlung in Berlin. In den vergangenen Wochen habe Vattenfall Europe schmerzhafte Kundenabgänge hinnehmen müssen, räumte Cramer ein. "Wir haben die Botschaft verstanden und die Lektionen gelernt".

Nach den Pannen in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel und dem Verlust von Marktenteilen will sich der Energieversorger Vattenfall Europe um ein besseres Image bemühen. "Wir wollen und müssen das verlorene Vertrauen in das Unternehmen Vattenfall Europe wiederherstellen", sagte Cramer. Aktionärsvertreter warfen der deutschen Tochter des schwedischen Staatsunternehmens Vattenfall einen zögerlichen Umgang mit klimafreundlichen Technologien vor und forderten einen Ausstieg aus der Atomenergie.

Vor dem Tagungsort protestierten Umweltverbände gegen die Energiepolitik des Stromriesen und simulierten mit einem brennenden Atomkraftwerk-Modell aus Styropor einen Störfall. Der Naturschutzbund Nabu rief alle Stromkunden auf, "die Geschäftsbeziehungen mit dem Atom- und Kohlekonzern zu kündigen".

Bei Bürgern und Wirtschaft hat sich erhebliche Wut über ständig steigende Energiepreise aufgestaut. Mitte Juli meldete das Statistische Bundesamt für Juni 1,8 Prozent höhere allgemeine Verbraucherpreise, aber eine Strom-Verteuerung um ganze 6,2 Prozent. Im Vergleich zu 2000 bedeutet das knapp 37 Prozent höhere Strompreise. Zufällig in gleichem Umfang langten auch Tankstellen und Mineralölkonzerne vermehrt beim Sprit zu. Autofahrer und Energieverbraucher sehen sich laut Umfragen zunehmend geschröpft.

Die etwa 40 Millionen deutschen Haushalte sollen nicht länger nur gegen die Preiserhöhungen protestieren, sondern aktiv handeln und ihre Nachfragemacht dem mächtigen Konzern-Oligopol entgegenstellen. Anbieter- und Stromtarif-Wechsel ist die Devise, die die Verbraucherzentralen und der Deutsche Mieterbund jetzt ausgerufen haben. Der so entstehende Preisdruck soll den Wettbewerb unter den etwa 900 Stromanbietern in Deutschland aufwirbeln. Der Druck auf die Strompreise könnte nun nach Einschätzung der Verbraucherlobby allmählich greifen. Jedoch haben seit 2000 erst 6 Prozent gewechselt und nur 8 Prozent haben einen Wechsel fest geplant, während viele noch unentschlossen sind und 41 Prozent der Befragten keinen Wechsel planen. Die meisten Stromkunden bleiben ihren Anbietern nämlich treu, ermittelte das Meinungsforschung polis/Usuma.