Das BKA geht nach Medienberichten davon aus, dass zehn Prozent aller Demonstranten gegen den G8-Gipfel gewaltbereit sein werden. Rund 16000 Polizisten sollen das Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands im Ostseebad Heiligendamm absichern.

Rostock/Berlin. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hat Globalisierungsgegner aus dem weiteren Umfeld des G8-Tagungsorts Heiligendamm verbannt. Die Richter hoben am Donnerstagabend eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schwerin auf, das ein von der Polizei erlassenes Demonstrationsverbot im Umkreis von fünf bis zehn Kilometern um den Zaun deutlich eingeschränkt hatte. Geklagt hatten Organisatoren eines Sternmarsches, die ihren Protest möglichst nah an die Anfang Juni in Heiligendamm tagenden Staats- und Regierungschefs herantragen wollten. Nachdem die Schweriner Richter das genehmigt hatten, legte die Polizei dagegen Protest ein und bekam in diesem Fall nun Recht.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sind die räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des Versammlungsrechts, "jedenfalls was die von den Antragstellern dieses Verfahrens angemeldete Versammlung betrifft, rechtmäßig und verstoßen nicht gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit", erklärten die Richter in einer als unanfechtbar bezeichneten Entscheidung. Sie gestatteten aber die Durchführung des Sternmarsches auf einer Bundesstraße außerhalb der Verbotszone.

Zuvor hatten die Innenminister von Bund und Ländern die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Tagungsort im Grundsatz gerechtfertigt. Allerdings gab es bei einer Konferenz am Donnerstag in Berlin unterschiedliche Einschätzungen zwischen Union und SPD über das Ausmaß der Einschränkungen für Demonstranten und Bürger.

Einem Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers" (Freitag) zufolge geht das Bundeskriminalamt (BKA) davon aus, dass zehn Prozent aller Demonstranten gegen den G8-Gipfel gewaltbereit sein werden. Für die Großdemonstration an diesem Samstag in Rostock rechnet die Polizei aber mit einem friedlichen Verlauf.

Rund 16 000 Polizisten sollen das Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands im Ostseebad Heiligendamm (6. bis 8. Juni) absichern. Nach Angaben des Chefs der G8-Polizeieinheit "Kavala", Knut Abramowski, ist in den kommenden Tagen mit Blockadeaktionen am Zaun von Heiligendamm und am Flughafen Rostock-Laage, dem Ankunftsort der Gipfelteilnehmer, zu rechnen.

Bei der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern wurden Differenzen zwischen den Ressortchefs deutlich. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte Darstellungen seines rheinland-pfälzischen Kollegen Karl Peter Bruch (SPD) unzutreffend, der Sicherheitsaufwand werde nur wegen US-Präsident George W. Bush betrieben. Es müsse gewährleistet sein, "dass alle unsere Gäste sicher sind", argumentierte Schäuble ähnlich wie Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Dieser hatte der Deutschen Presse-Agentur dpa gesagt, der reibungslose Verlauf des Gipfels müsse "unter allen Umständen" sichergestellt werden. Schäuble nannte das Sicherheitskonzept "insgesamt abgewogen". Das Demonstrationsrecht sei gewährleistet.

Der Mainzer Innenminister Bruch hatte den hohen Sicherheitsaufwand vor allem auf die Anforderungen der Amerikaner zurückgeführt. Diese seien "so hoch, dass sie für europäische und deutsche Verhältnisse eigentlich nicht hinnehmbar sind". Die Minister waren sich aber einig darin, dass friedlicher Protest willkommen sei. Gewalttätern, so Beckstein, müsse durch "Stärke vor Ort" aber deutlich gemacht werden, dass sie keine Chance hätten.

Das BKA geht laut "Kölner Stadt-Anzeiger" davon aus, dass jeder zehnte Demonstrant zu gewalttätigem Widerstand bereit sei. Das Blatt zitierte den Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), der sich auf Angaben der Behörde selbst und des Bundesinnenministeriums im Innenausschuss berief. Demnach rechne das BKA mit 3000 gewaltbereiten G8-Gegnern bei 30 000 Demonstranten insgesamt. Vor diesem Hintergrund seien die Sicherheitsvorkehrungen nicht überzogen, sagte Edathy.

Der Rostocker G8-Polizeichef Abramowski hat "keine Erkenntnisse über Gewalttäter". Es sei allerdings nicht auszuschließen, dass es am Rande der Großdemonstration am Samstag in Rostock zu Störungen komme, sagte er. Diese seien einkalkuliert. "Das gehört zur polizeilichen Pflichterfüllung." Abramowski zufolge werden 50000 bis 100000 Teilnehmer erwartet.

Unterdessen darf die rechtsextreme NPD nach einer Entscheidung des Schweriner Verwaltungsgerichts am Samstag in der Landeshauptstadt gegen den G8-Gipfel demonstrieren. Die Richter verwarfen am Donnerstag das von der Stadtverwaltung wegen Mangels an Polizeikräften verhängte Demonstrationsverbot. Damit dürfen neben der NPD-Kundgebung auch drei Gegendemonstrationen stattfinden. Die Richter machten der NPD allerdings zur Auflage, ihre Versammlung in einem Außenbezirk abzuhalten. Durch die räumliche Trennung der Veranstaltungen könne der "Gefahr gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen" hinreichend begegnet werden.