Nach dem Blutbad in einem China-Restaurant im niedersächsischen Sittensen mit sieben Toten hat die Polizei zwei Tatverdächtige gefasst. Trotzdem: mehr Fragen als Antworten!

Rotenburg. Auch nach der Festnahme von zwei Verdächtigen bleibt der siebenfache Mord in einem China-Restaurant im niedersächsischen Sittensen weiter rätselhaft. "Mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen" lehnt die Rotenburger Kriminaloberrätin Petra Guderian jede nähere Information zu den 29 und 31 Jahre alten Männern ab; der Leitende Kriminaldirektor beim Landeskriminalamt, Volker Kluwe, spricht von notwendigen "internationalen Ermittlungen". Fest steht bislang nur: Kommissar Zufall hat die Polizei auf die Spur der beiden Vietnamesen gebracht, die dringend verdächtig sind, in der Nacht zu Montag das Blutbad in dem Lokal angerichtet zu haben.

Die beiden Autobahnpolizisten, die die Männer am Montag gegen 13.10 Uhr routinemäßig bei Wildeshausen kontrollieren, erkennen erst schrittweise die Tragweite ihrer Aktion. Erst hegen sie den Verdacht auf illegale Einreise. Dann finden sie bei den beiden eine geringe Menge weißes Pulver, möglicherweise Kokain. Schließlich entdecken sie einen Zettel mit Notizen, "die Bezüge zum Tatort in Sittensen haben könnten", so Guderian. Nach Informationen von "Spiegel-Online" soll es sich um handgefertigte Skizzen des China-Restaurants handeln.

"Die Indizien begründen hinreichend den dringenden Mordverdacht", sagt der Stader Staatsanwalt Frank Reh. Die beiden Verdächtigen, die inzwischen in Untersuchungshaft sitzen, schweigen sich den Angaben zufolge jedoch zu den Tatvorwürfen aus. Nahezu 48 Stunden hat die Polizei diese Informationen für sich behalten. Erst fünf Minuten vor der Pressekonferenz am Mittwochnachmittag in Rotenburg (Wümme) verteilt Polizeisprecher Detlev Kaldinski eine entsprechende Pressemitteilung, die Guderian, Kluwe und der neue Leiter der Soko "Lin Yue" beim LKA, Andreas Tschirner, anschließend verlesen.

Dabei lassen die Ermittler mehr Fragen offen, als sie Antworten geben. Wie lange sich die beiden Vietnamesen bereits in Deutschland aufhalten, will Guderian nicht sagen; ebenso wenig macht sie Angaben dazu, ob es weitere Personen oder gar Verdächtige im Umfeld der Verhafteten gibt. Die seit der Tat blühenden Spekulationen um einen Racheakt, einen Anschlag chinesischer Mafiabanden, einen Raubüberfall oder um Spielschulden eines der Opfer bekommen zusätzlichen Aufwind. Doch die Polizei hält sich bedeckt: "Die Ermittlungen werden intensiv in alle Richtungen fortgesetzt", betont Kluwe: "Die Motivlage lässt sich nach wie vor nicht genau konkretisieren."

Selbst die Identität der sieben Toten ist nach Polizeiangaben bislang nicht vollständig geklärt. Neben dem 36 und 32 Jahre alten Betreiber-Ehepaar, beide Honkong-Chinesen mit britischem Pass, sind nur ein 31 Jahre alter Thailänder und eine 39 Jahre alte Malaiin zweifelsfrei identifiziert. Offen ist auch die Frage, ob es sich ausschließlich um Angestellte des Lokals handelt. Die zweijährige Tochter der Restaurant-Besitzer hat das Massaker überlebt und sei in gesundheitlich stabiler Verfassung.

Unterdessen geht auch Spurensicherung am Tatort weiter. Spezialisten des Bundeskriminalamtes durchsuchten am Mittwoch immer noch das Restaurant im ersten Obergeschoss eines zehn Jahre alten Geschäfts. "Das kann noch Tage dauern", sagt Kluwe. Von den Ereignissen in ihrer 5600-Einwohner-Gemeinde erschüttert, legen auch am Mittwoch noch Sittenser Bürger Blumen vor dem Haus nieder. Mit der Festnahme der beiden Verdächtigen hat der Fall zwar eine Wendung bekommen. Aber das Entsetzen ist in dem kleinen Ort geblieben.