Mehr als 20 Jahre nach der Tötung seiner Ehefrau erwartet einen 65-jährigen Mann heute vor dem Landgericht sein Urteil. Der Angeklagte hatte im November 1986 seine von ihm getrennt lebende Frau mit einem Kissen erstickt. Vor Gericht schilderte er die Tat als Unglücksfall.

Fast 20 Jahre hat er das dunkle Geheimnis bewahrt. Bald zwei Jahrzehnte darüber geschwiegen, dass er als 16-Jähriger ansehen musste, wie sein Vater im November 1986 die Mutter mit einem Kissen erstickte. Dann hat er es doch erzählt, als der ältere Bruder darauf drängte, zur Polizei zu gehen, weil er von einer Ex-Freundin des Jüngeren zufällig von der Geschichte erfahren hatte. Sieben Jahre Haft wegen Totschlags lautet das Urteil, das die Große Strafkammer 21 des Hamburger Landgerichts am Mittwoch über den 65-jährigen Vater verkündet. "Sie haben großes Glück, dass die Zeit für Sie gearbeitet hat", begründet der Richter "die relativ milde Strafe".

Kurz vor der Tat war die Ehefrau aus dem Familienhaus ausgezogen, geflohen vor Streit und Schlägen. Die Frau wollte die Scheidung, der Mann nicht, denn er fürchtete, dann das Haus zu verlieren. Am 17. November 1986 rief er sie an, wollte Unterschriften unter Akten und drohte, sie fertig zu machen, wenn sie sich widersetzte. Dann fuhr er mit seinem jüngsten Sohn zu ihr, denn ihn allein ließ sie nicht mehr in die Wohnung.

"Für mich war es ein Unglücksfall", beschreibt der Angeklagte, ein Schlachter, was dann geschah. Seine Frau habe geschrien, als er sie auf Geld vom gemeinsamen Konto ansprach. Immer lauter habe sie geschrien. "Da habe ich ein Kissen genommen und ihr ins Gesicht gedrückt", sagt er, "etwa zehn Sekunden lang."

Der Sohn will den Vater zurückhalten. "Verreck, du Sau", habe der geschrien, als er der schwer nieren- und herzkranken Mutter das Kissen auf Mund und Nase presste. Doch gegen den kräftigen Vater kommt er nicht an. Als der Junge nach draußen läuft, wehrt sich die Mutter noch schwach. Eine halbe Stunde später kommt der Vater nach Hause. "Ich habe sie umgebracht", sagt er. Der Sohn behält das alles zwei Jahrzehnte lang für sich. Warum, weiß der 36-Jährige vor Gericht nicht zu sagen.

Aus Gewissensnot, meint der Richter. "Sie stellten ihm die fürchterliche Frage, ob er seinen Vater anzeigen wolle", sagt er zum Angeklagten. Der Junge und auch seine Freundin, die im Treppenhaus stand, hätten Angst gehabt, dass ihnen keiner glaubt. Den Ärzten fielen zwar Spuren von Gewalt im Gesicht der Frau auf. Doch dann attestierten sie angesichts ihrer schweren Krankheiten einen natürlichen Tod.

Eine lebenslange Haft forderte der Staatsanwalt für den 65- Jährigen, er habe aus Habgier gemordet, weil er das Haus wollte. Das Gericht folgt dem nicht, denn nach 20 Jahren sei das Mordmerkmal Habgier nicht mehr sicher festzustellen. Dass die Tat fast verjährt wäre, habe sich erheblich strafmildernd ausgewirkt.

"Wir haben während des gesamten Verfahrens nie ein Wort der Reue vernommen", wirft der Richter dem Angeklagten vor, er habe nur Egoismus und Selbstmitleid offenbart, "andere Menschen scheinen Sie ohnehin nicht zu interessieren" - der Sohn etwa, der unter den Gewissensqualen leidet. "Den kriegen wir schon wieder hin", sagt dessen älterer Bruder nach dem Urteil.