Regisseur Michael Bogdanov inszenierte das berühmte Drama mit vier Vollblutkomödianten: Das Premierenpublikum dankte mit lang anhaltendem Applaus.

Hamburg. Sie fallen auf die Schnauze, um wieder aufzustehen. Die Landstreicher Estragon und Wladimir in Samuel Becketts "Warten auf Godot" sind auch Spaßmacher in einem absurden Gleichnisspiel über unser Leben. Der britische Regisseur Michael Bogdanov - von 1989 bis 1992 Intendant des Deutschen Schauspielhauses und auch künstlerischer Direktor der English Shakespeare Company - inszenierte das berühmte Drama, in dem nichts geschieht und doch das ganze Elend des Menschseins zu sehen ist, mit vier Vollblutkomödianten an den Hamburger Kammerspielen. Das Premierenpublikum am Sonntagabend war begeistert und spendete lang anhaltenden Applaus.

Timo Dierkes und Johannes Silberschneider erinnern nicht zufällig an Dick und Doof. Sie singen, tanzen und treiben Slapstick mit Schuhen, vertauschten Hüten und Seilen als Stolperfallen. Aus Gewohnheit, Langeweile und um sich und ihren Zuschauern unterhaltsam die Zeit zu vertreiben beim "Warten auf Godot". Denn die beiden Clochards sind auch Clowns. "In dieser Gegend und in diesem Augenblick sind wir die Menschheit, ob es uns passt oder nicht." Mit Gegend hier eine Straße an einem zerstörten Bunker mit traurigem Baum (Sean Crowley) ist auch die Bühne gemeint. Und das Spiel als Show.

Vorbilder Bogdanovs: Die englische Pantomime und Music Hall-Tradition Bogdanov orientiert sich in seiner dem Stücktext folgenden Inszenierung (wie Beckett in den Regieanweisungen übrigens auch) an den Routinegags aus der englischen Pantomime und Music Hall-Tradition inklusive rutschender Hosen. Dierkes und Silberschneider lassen sich denn auch nicht lange bitten und ziehen alle Register. Didi und Gogo marschieren ulkig im Gleichschritt, streiten, schmollen und versöhnen sich wieder mit großer Umarmung. Das Schauspielerduo ergänzt sich trefflich. Dierkes ist der kindlich rücksichtslose Genussmensch. Schwach auf den Füßen und im Kopf, vergisst Gogvo immer alles und sorgt deshalb ständig für Gesprächsstoff. Silberschneiders treu sorgender, zweifelnder Didi, die Hand zwischen den Beinen, leidet an Blasenschwäche und schwingt sich zu großen Reden auf und dabei andeutungsweise zu einer Hitlerparodie.

Als Pozzo und Lucky, der tyrannische Herr und der ohnmächtige Knecht, auftreten, erhält des Spiel einen brutaleren Zug und ernsteren Grundton, auch wenn die Vier ungeschickt übereinander purzeln beim Versuch einander zu helfen oder sich zu beschummeln. Gerhard Garbers gibt dem peitschenknallenden Sadisten unerschütterliche Selbstgerechtigkeit und höhnische Schärfe. Roland Renner erhält Szenenapplaus für den unsinnigen, aus ihm herausbrechenden, sich steigernden Wortschwall: Ein Aufschrei gegen die Gewalt und Unterdrückung.

"Ich kann nicht mehr so weitermachen", stöhnt Estragon. "Das sagt man so", antwortet Wladimir lächelnd und weiß: Sie werden jeden Tag bis zum Tod weitermachen. Auch als Schauspieler. Wie ihr Schöpfer Beckett kennen sie die Macht und die Rituale der Gewohnheit. Sie treiben die beiden (wie uns alle) weiter, lassen die Langeweile, die Schmerzen und das Leiden am Leben vergessen. Auch dass das ersehnte Glück und der erwartete Godot wer immer er sein mag sich nicht einstellen wird. Das Schöne und Schreckliche an Becketts Meisterstück wie an Bogdanovs etwas klamottiger Existenzparabel ist: Sie sind witzig und zugleich wahrhaftig.