Die Disziplinarkommission des Fußball-Weltverbandes Fifa hat ein Verfahren gegen den italienischen Nationalspieler Marco Materazzi eingeleitet.

Die Disziplinarkommission des Fußball-Weltverbandes Fifa hat am Donnerstag ein Verfahren gegen den italienischen Nationalspieler Marco Materazzi eingeleitet. Das Verfahren wurde auf Grund der ersten Aussagen der Franzosen Zinedine Zidane eröffnet, der im WM-Endspiel am Sonntagabend in Berlin gegen Italien nach einem Kopfstoß gegen Materazzi die Rote Karte gesehen hatte. Zidane hatte am Mittwoch in einem Interview erklärt, seine Aktion sei eine Reaktion auf eine wiederholte Provokation des Italieners gewesen. Materazzi hatte zuvor zugegeben, Zidane provoziert zu haben.

Die Fifa will die Umstände des Vorfalles im Olympiastadion genau klären. Dazu muß Zidane zunächst bis zum 18. Juli eine Stellungnahme einreichen. Danach wird diese Materazzi zur Kenntnisnahme vorgelegt, ehe der Italiener selbst Stellung beziehen muss. Beide Akteure wurden zudem zu einer Gegenüberstellung vor die Disziplinarkommission für den 20. Juli nach Zürich bestellt.

Unterdessen hat sich der von Zidane per Kopfstoß attackierte Materazzi als Fan des französischen Fußball-Stars geoutet. Zidane sei "sein Held", sagte der Verteidiger in einem Interview der Zeitung "La Gazzetta dello Sport" (Donnerstag-Ausgabe). Zudem sprach Materazzi sich dafür aus, dass dieser die Auszeichnung als bester WM-Spieler behalten darf. "Er war der Beste. Er hat sie für seine Leistungen auf dem Platz bekommen", sagte Materazzi. Fifa-Präsident Joseph Blatter hatte eine Aberkennung der Ehrung Zidanes nicht ausgeschlossen.

Materazzi betonte erneut, er habe Zidanes Ausraster provoziert. Er habe allerdings Zidanes Schwester, nicht aber dessen Mutter beleidigt, wie es der Franzose am Vortag in einem Interview behauptet hatte. Materazzi: "Das, was ich gesagt habe, hatte nichts mit Religion, Politik oder Rassismus zu tun."

Trainer Gernot Rohr hat derweil Verständnis für Zidanes Kopfstoß aufgebracht. Rohr, der vier Jahre lang Zidanes Trainer bei Girondins Bordeaux war, sagte im Hörfunksender "hr-iNFO", der Ausraster sei "eine menschliche Reaktion gewesen" und "mehreren Faktoren" geschuldet: "Der Stress eines WM-Finales, die Augen der Journalisten, die bei seinem letzten Spiel mehr als sonst auf ihn gerichtet waren, die schmerzhafte Schulter-Verletzung und das Temperament eines Südfranzosen, dem die Familie heilig ist."

Mit der Fernseh-Beichte am Mittwochabend betrachtet Rohr den Fall als erledigt. Zidane hatte sich dabei für sein in der 110. Minute des WM-Finals begangenes Vergehen entschuldigt, das von Schiedsrichter Horacio Elizondo (Argentinien) mit der Roten Karte bestraft worden war. "Ich weiß, dass die Entschuldigung von Herzen kam und er bereut, was er getan hat. Nun würde ich mich freuen, wenn sich auch Materazzi für seine Beleidigungen entschuldigt", sagte Rohr.

Die Überlegungen des Fußball-Weltverbandes (Fifa), Zidane den Titel des besten WM-Spielers möglicherweise abzuerkennen, kann auch der Trainer von Young Boys Bern nicht nachvollziehen. "Zidane hat sich diesen Titel durch gute Leistungen verdient. Eine Aberkennung wäre keine menschliche Entscheidung, zumal sich die Fifa dann noch größerer Kritik ausgesetzt sehen würde als ohnehin schon."

Die Reaktionen der Franzosen, die Zidane in der großen Mehrheit verziehen haben, kann Rohr dagegen gut nachvollziehen. "Da sie in ihm eben keinen Fußball-Gott sehen, sondern einen sympathischen, wunderbaren Menschen, der auch Fehler macht", sagte Rohr weiter.