Größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik: Knapp einen Monat nach dem Bundestag stimmte auch die Länderkammer den Gesetzesplänen der großen Koalition zu. Damit ist die Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent Anfang 2007 endgültig beschlossene Sache.

Berlin. Die umstrittene Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent zum Anfang des kommenden Jahres ist endgültig beschlossen.

Der Bundesrat stimmte dem Haushaltsbegleitgesetz zu, das die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik beinhaltet. Neben der Erhöhung von Mehrwert- und Versicherungssteuer sieht es zahlreiche Einsparungen und Sanierungsschritte für den Staatshaushalt vor. Länder mit Koalitionen aus CDU/FDP und SPD/Linkspartei stimmten dagegen. Geebnet wurde der Weg für die Zustimmung der Länderkammer durch einen Kompromiß zwischen Bundesregierung und Ländern, die Kürzung der Bundeszuschüsse für den Nahverkehr von geplanten 2,3 Milliarden Euro bis 2009 um 500 Millionen Euro abzumildern. Finanzminister Peer Steinbrück verteidigte die Steuererhöhungen und appellierte an die Länder: "Konsolidierungs- und Wachstumsziele können wir nur gemeinsam ... erreichen". Zur Strategie der Regierung mit der Mehrwertsteuererhöhung gebe es keine Alternative.

Neben der Anhebung der Mehrwert- und der Versicherungssteuer auf 19 Prozent umfaßt das Gesetz die Senkung Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um zwei Punkte auf 4,5 Prozent. Die Befreiung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge von der Sozialversicherung wird beschränkt, der Pauschalbeitragssatz für geringfügig Beschäftigte wird auf 30 von 25 Prozent erhöht. Sonderzahlungen und Zulagen für Bundesbank- und Bundesbeschäftigte werden gekürzt.

Um eine Zustimmung der Länderkammer möglich zu machen und ein drohendes Vermittlungsverfahren zu vermeiden, war der Bund kurz vor der Sitzung bei der geplanten Kürzung der Zuschüsse für den Nahverkehr auf die Länder zugegangen. Steinbrück sicherte den Ländern zu, für die geplante Kürzung um 2,3 Milliarden Euro bis 2009 einen Ausgleich von 500 Millionen Euro in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Zudem sollen die Zahlungen ab 2009 wieder dynamisiert werden. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und SPD-Vorsitzende Kurt Beck sprach daraufhin von einer vernünftigen Lösung, die eine Zustimmung zum Haushaltsbegleitgesetz ermögliche.

Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Ernst Pfister und Nordrhein-Westfalens Technologieminister Andreas Pinkwart hielten dem entgegen, die Mehrwertsteuererhöhung dämpfe den privaten Konsum. Sie schade der Konjunktur und bedrohe Arbeitsplätze, führten die beiden FDP-Politiker als Begründung für die ablehnende Haltung ihrer von CDU/FDP-Koalitionen geführten Landesregierungen weiter an. Dagegen verteidigte neben Beck Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) das Vorhaben. Koch sagte, der Schaden durch ein Scheitern des Gesetzes wäre größer als der Nutzen. Auch wenn konjunkturelle Beeinträchtigungen zu erwarten seien, werde mit dem Gesetz doch die zentrale Herausforderung der Haushaltskonsolidierung angegangen.

Auch Steinbrück sprach von konjunkturdämpfenden Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Da die öffentlichen Haushalte aber saniert werden müßten, gebe es keine Alternativen dazu. Es gehe weniger um das Schließen von Haushaltslöchern als um die Behebung der strukturellen Einnahmeschwäche aller öffentlicher Haushalte. Das Gesetz helfe dabei nicht nur dem Bund, sondern gleichermaßen Ländern und Kommunen. Die Konsolidierungsstrategie der Regierung entlaste Länder und Kommunen um 38 Milliarden Euro. Den Kritikern des Vorhabens, namentlich Nordrhein-Westfalen, warf Steinbrück eine widersprüchliche und doppelbödige Argumentation vor.

Das Haushaltsbegleitgesetz ist ein Eckpfeiler der Politik der großen Koalition. Dadurch soll der mit hohen Schulden belastete Bundeshaushalt konsolidiert werden. Das Gesetz soll gewährleisten, daß Deutschland spätestens 2007 erstmals seit 2001 wieder das europäische Defizitkriterium von drei Prozent unterschreitet. Zudem soll es ermöglichen, daß im kommenden Jahr auch die Vorgabe des Grundgesetzes eingehalten wird, die Neuverschuldung nicht über die Investitionen steigen zu lassen.

Die Länderkammer verabschiedete zudem eine kritische Stellungnahme zum Steueränderungsgesetz, das für die Bürger weitere Belastungen bringt. Dieses Vorhaben beinhaltet unter anderem die umstrittene sogenannte Reichensteuer sowie die Beschränkung der Pendlerpauschale, die künftig nur noch ab dem 21. Kilometer des Arbeitsweges geltend gemacht werden kann.