Unfall mit Säuretanker: Nach Zusammenstoß im Juni 2004 waren etwa 950 Tonnen Schwefelsäure in die Elbe gelaufen und hatten beinahe eine Umweltkatastrophe ausgelöst

HAMBURG. Gut eineinhalb Jahre nach dem folgenschweren Unfall des Säuretankers "ENA 2" im Hamburger Hafen hat das Amtsgericht Hamburg den Kapitän des Schiffes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Der 38jährige, der bei der Havarie mit einem Alkoholpegel von 2,5 Promille laut Gutachten "absolut fahruntüchtig" war, trägt nach Überzeugung des Gerichts die Schuld an der Kollision der "ENA 2" mit dem Containerschiff "Pudong Senator". Nach dem Zusammenstoß im Juni 2004 waren etwa 950 Tonnen Schwefelsäure aus der "ENA 2" in die Elbe gelaufen und hatten beinahe eine Umweltkatastrophe ausgelöst.

Der Angeklagte hatte vor Gericht zwar seine Trunkenheit eingeräumt, doch jede weitere Verantwortung für die Havarie zurückgewiesen. Der Richter sah es aber als erwiesen an, dass der 38jährige bei der Einfahrt in den Hamburger Petroleumhafen Fahrregeln mißachtet hatte. Die Kollision sei jedoch die Folge von "Fehleinschätzungen aller Beteiligten", betonte der Richter. Auch der Kapitän der auslaufenden "Pudong Senator" und der zuständige Hafenlotse an Bord des Containerschiffes hätten den Unfall mit verursacht. Eine strafrechtlich relevante Schuld treffe sie aber nicht.

Nach der Kollision mit der fast 300 Meter langen "Pudong Senator" hatte der angeklagte Kapitän seinen Säuretanker noch an einen Liegeplatz im Petroleumhafen gebracht. Dort kenterte die "ENA 2" und sank. Durch die auslaufende Schwefelsäure verendeten die Fische im Hafenbecken. Elf Menschen erlitten Verätzungen. Erst nach einer komplizierten und fünf Tage dauernden Bergung des 62 Meter langen Chemieschiffes konnte eine weitere Gefahr für Mensch und Natur ausgeschlossen werden.

Die Schiffsführung der "Pudong Senator" ging den Worten ihres Kapitäns zufolge davon aus, daß gemäß dem Gewohnheitsrecht im Hamburger Hafen die "ENA 2" als das kleinere Schiff dem größeren die Vorfahrt lasse. Diese Regelung entspricht zwar nicht den gesetzlichen Vorschriften. "Funktionieren tut der Hafen nur, wenn man Fünfe gerade sein läßt und sich abspricht", unterstrich aber auch der Richter. Der Lotse auf der "Pudong Senator" habe jedoch keine Regelung mit der "ENA 2" getroffen, kritisierte er.

Auch als Konsequenz aus der Havarie der "ENA 2" hatte der Gesetzgeber im vergangenen Jahr die allgemeine Promillegrenze in der Seeschiffahrt von 0,8 auf 0,5 gesenkt. Für Gefahrguttransporte wurde eine Null-Promille-Regelung eingeführt.

Der Staatsanwalt hatte für den "ENA 2"-Kapitän wegen Gefährdung des Schiffsverkehrs und fahrlässiger Verunreinigung von Gewässern eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gefordert. Der Verteidiger dagegen plädierte nur für eine Verurteilung wegen der Trunkenheitsfahrt seines Mandanten und nannte kein konkretes Strafmaß.