Neue Lindenberg-Sonderbriefmarke: Wie die Deutsche Post der deutschen Grammatik eine klebt

Wer nichts zu schimpfen hat, der schimpft auf das Wetter. Entweder ist es zu heiß, und die Kollegen von den lauten Blättern prophezeien die Ausbreitung der Sahara bis an den Rand der Außenalster, oder es ist zu kalt, sodass sich ausgerechnet im Wahlkampf die Warnung vor der Erderwärmung nicht stimmenmehrend unterbringen lässt. Oder es ist zu nass, viel zu nass, wobei sich die Fluten in Hamburg nicht nur von oben, sondern auch von unten aus geborstenen Wasserrohren ergießen. Doch irgendwann hat es sich ausgeschimpft beim Wetter. Als allerletzter Ausweg bietet sich an, auf die Post zu schimpfen. Das war schon vor vielen Hundert Jahren so, als der Bürgermeister mit dem Ochsenziemer auf den Postillion eindrosch, weil die Postkutsche drei Minuten zu spät durch das Stadttor gerumpelt war. So genau nehmen wir es heute nicht mehr. Im Umland warten ganze Dörfer seit Tagen auf ihre Briefe, weil die Postbotinnen Urlaub haben. In einer Gemeinde sollte die Vertretersitzung abgesagt werden, weil die Einladungen nicht zugestellt worden waren. Offenbar fehlt es der Deutschen Post an Personal.

Dafür ist sie auf anderem Gebiet weitaus großzügiger ausgestattet, etwa mit überflüssigen Schriftzeichen. Auf einer 70-Cent-Sondermarke mit Lindenberg-Selbstporträt zugunsten des katholischen Bonifatiuswerks finden wir die Aufschrift „UDO’S 10 GEBOTE“. Auweia! Genitiv-s mit Apostroph? So etwas nannten wir früher einen Deppen-Apostroph. Konrad Duden rotierte in seinem Grab. Erst als er hörte, dass die Post verantwortlich sei, murmelte er „Ach so!“ und lag wieder still.

Schon Cicero wusste: Ein Brief errötet nicht – nicht einmal durch einen Apostroph auf seiner Marke.