Es gibt etwas zu feiern im Haus von Janet (Kristin Scott Thomas). Nach langen Jahren aufopferungsvoller Arbeit für die Partei steht sie vor dem Sprung an die Spitze des englischen Gesundheitsministeriums. Der Champagner steht bereit, dauernd klingelt das Smartphone, mal sind es Gratulanten, dann wieder Janets neue Liebschaft, von der ihr im Wohnzimmer sitzender Gatte Bill (Timothy Spall) natürlich nichts weiß. Der deutsche Freund Gottfried (Bruno Ganz) ist mit seiner Frau April (Patricia Clarkson) bereits erschienen, aus dem Wohnzimmer wehen abwechselnd Jazz- und Salsaklänge herüber. Es könnte alles so schön werden. Aber wer die beißfreudige Ironie der Regisseurin Sally Potter kennt, darf mit Recht daran zweifeln.

In Schwarz-Weiß kommt diese bitterböse, schnelle, immer wieder auch sehr lustige Geschichte daher, deren Stoff nun wirklich nichts aufregend Neues ist: dass auf Partys oder sonstigen geselligen Treffen gern lange vertagte Konflikte aufbrechen, ist ein so beliebtes Sujet, dass sich ihm im Wettbewerb der Berlinale gleich zwei Filme widmeten – neben „The Party“ auch Oren Movermans amerikanische Produktion „The Dinner“. Aber wo Moverman mit tiefstem Ernst traumatische Kindheitserlebnisse ausdeutete und sich dann daran verhob, sie auch noch in Beziehung mit dem amerikanischen Bürgerkrieg zu setzen, ist Sally Potter in nur 71 Minuten eine Gesellschaftssatire gelungen, die ihren Namen verdient.

Bill ist ein klassischer Vertreter des linksliberalen Bürgertums mit breiter Bildung und international geschultem Geschmack. Es ist natürlich auch symbolisch zu verstehen, wenn er in diesen Brexit-Zeiten als todkranker Mensch vorgestellt wird: Das ist die Neuigkeit, die er ausgerechnet an Janets großem Abend zu verkünden hat – und nicht die einzige, die die Party in die Katastrophe steuert.

Und dieses genüsslich vorbereitete und dann ausgekostete Erdbeben macht deshalb so großen Spaß, weil man den Schauspielern ihr Vergnügen jederzeit anmerkt. Wer Bruno Ganz zuletzt als altstalinistischen Parteisoldaten in Matti Geschonnecks „In Zeiten abnehmenden Lichts“ gesehen hat, wird ihn hier als lebensberatenden Alternativ-Zausel kaum wiedererkennen. Es gibt keine Banalität, die dieser Gottfried ausließe – je esoterischer der Ratschlag, desto besser für ihn und desto peinlicher für seine Frau, die sich in einen Zynismus geflüchtet hat, den man nur in Großbritannien beherrscht.

Es sind die kleinen und die großen Lügen, die hier nach und nach ans Licht kommen. Ergänzt wird das Ensemble vom lesbischen Pärchen Martha (Cherry Jones) und Jinny (Emily Mortimer), die sich auf die Geburt von Drillingen vorbereiten und im Schwangerschaftsirrsinn gefangen sind – und vom koksenden Banker Tom (Cilian Murphy), der Rachepläne hegt und deshalb eine Waffe bei sich trägt.

Es ist eine Gästeliste, die sich der Teufel persönlich ausgedacht haben könnte. Sie ergibt eine der schönsten Komödien dieses Sommers.

„The Party“ GB 2017, 71 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Sally Potter, Darsteller: Patricia Clarkson, Bruno Ganz, täglich im 3001 (OmU), Abaton (OmU), Blankeneser, Holi und Zeise