Mexiko-Stadt.

Die Angreifer kamen am helllichten Tag. Eine deutsche Touristengruppe war gerade auf dem Weg in die mexikanische Ruinenstadt Palenque, als bewaffnete Räuber ihren Kleinbus stoppten. Sie bedrohten den Busfahrer und nahmen den 25 Urlaubern Bargeld und Wertgegenstände ab. Der Angriff vom April ist bis heute nicht aufgeklärt. Angeblich bekamen die Täter sogar Tipps von Polizisten. Doch die Tat ist nur ein Beispiel für die Kriminalität, die sich in Mexiko wieder stärker ausbreitet. Vor allem Touristenorte, die bislang als sicher galten, drohen zum Kampfgebiet der Drogenbanden zu werden.

Wie zum Beispiel in Playa del Carmen. Der prosperierende Urlaubsort stand bislang für das andere Mexiko. Für das fröhliche, das sichere, das spaßige Mexiko, das jedes Jahr Millionen Urlauber anzieht. Allein aus Deutschland landen jede Woche sieben Ferienflieger an der mexikanischen Riviera Maya. Das lateinamerikanische Land gilt weltweit als das zehntbeliebteste Urlaubsziel. Doch das könnte sich nun ändern. Das deutsche Auswärtige Amt warnt derzeit besonders vor Reisen in ländliche Gebiete. Aber auch in Touristengebieten wie Acapulco komme es „wiederholt zu Ausein-andersetzungen“.

Aus dem Urlaubsort Cancún werden mittlerweile fast täglich bewaffnete Konflikte gemeldet. Exekutionen, Schusswechsel vor Einkaufszentren, Verfolgungsjagden in der Innenstadt und auch die berüchtigten Leichenteile in Müllsäcken gehören zum Alltag. Bereits im Januar wurden in der Millionenstadt und dem 70 Kilometer entfernten Playa del Carmen binnen 48 Stunden neun Menschen bei einem Anschlag auf eine Diskothek und Überfällen auf Regierungsinstitutionen getötet. Diese Nachrichten sind Gift für jedes Urlaubsparadies. Zumal diese Gewalttaten die Handschrift des organisierten Verbrechens tragen.

Früher wusste man in Mexiko immer, welche Gegenden man als Urlauber meiden musste, wenn man seine Ferien genießen wollte. Die Städte Ciudad Juárez und Culiacán im Norden stehen beispielhaft für diese No-go-Areas.

Mexikos Karibikküste galt immer als sicher. Mittlerweile aber verwandele sich die Urlaubsregion in ein „tropisches Ciudad Juárez“, sagt Sicherheitsexperte und Autor Alejandro Hope. Hintergrund ist, dass das gewalttätige Kartell „Jalisco Nueva Generación“ die Vormachtstellung vom „Sinaloa-Kartell“ von Chapo Guzmán brechen will, der in den USA inhaftiert ist. Zudem haben sich die politischen Verhältnisse geändert.

Der Bundesstaat Quintana Roo an der Ostküste Mexikos, dessen größte Stadt Cancún ist, wurde bis vor knapp einem Jahr von dem unter Korruptionsverdacht stehenden Gouverneur Roberto Borge regiert, der mittlerweile im Gefängnis sitzt. Der Wechsel im Gouverneurspalast hat viele Kartelle dazu ermutigt, die Machtverhältnisse verschieben zu wollen. Schließlich geht es um viel Geld.

Reiche Urlauber locken Verbrecher an

Denn die Riviera Maya sei in gewisser Weise ein fruchtbares Gebiet für das organisierte Verbrechen, hebt Sicherheitsberater Hope hervor. Die Touristen kaufen alle Arten von Drogen. Und die Tausenden Bars, Diskotheken und Bordelle bilden ein Ziel für Schutzgelderpressung. „Das viele Geld durch den Tourismus, die großen sozialen Unterschiede und jede Menge junge Männer mit geringen wirtschaftlichen Perspektiven, verschärfen die Situation“, fügt Alejandro Hope hinzu. Und letztlich paktieren die Politiker aller Ebenen lieber mit den Kartellen, statt sie zu bekämpfen.

Die Angriffe auf das letzte Paradies Mexikos fallen in eine Zeit einer insgesamt deutlich verschärften Sicherheitslage. Vor allem die Morde sind landesweit dramatisch angestiegen. Im Mai wurden 2186 Menschen getötet, das entspricht 70 Toten am Tag. Nie seit Beginn der Erhebungen wurden mehr Menschen in Mexiko in einem Monat getötet.