Ja, was denn nun? Wenn es im Krankenhaus um die Anrede des Pflegepersonals geht, gibt es – so erlebte ich es in Hamburg – mindestens zwei Möglichkeiten. Schwester Gaby ist die Kollegin von Ronny. Der hatte sich mir als „Krankenpfleger Ronny“ vorgestellt. In den Regio Kliniken im Kreis Pinneberg ist es ähnlich, aber anders: Schwester Gaby hätte hier als Kollegen „Pfleger Ronny“, der so auch von den Patienten angesprochen werden soll. Die korrekte Berufsbezeichnung lautet übrigens bundesweit Kranken- und Gesundheitspfleger. Trotzdem bleibt Gaby Schwester. Was spräche eigentlich dagegen, ihr den Kollegen als Bruder Ronny hinzuzugesellen?

Manchmal sind allerdings auch die Brüder unter sich: etwa bei der Lotsenbrüderschaft. In dem Job haben Lotsinnen nicht nur auf der Elbe nichts zu suchen. Anders bei der Bruderhilfe, einer christlich orientierten Versicherung, bei der auch Frauen (Schwestern?) arbeiten und ebenso Kundinnen für viele Lebensbereiche versichert werden können.

Mit den geschlechtsbezogenen Anreden gibt es allerdings nicht nur im Berufsleben merkwürdige Ausnahmen. Schon die DDR, in der einst „unsere Brüder und Schwestern aus der Zone“ lebten, erfand eine sozialistisch geprägte Anrede für Besucher aus dem Westen: Als „Werte Reisende“ (gilt für die Reisende als auch für den Reisenden) wurden die Touristen am Grenzübergang auf Info-Blättern bezeichnet. Einseitig männlich bleiben sogar manche Kosewörter, weil sie gegenseitig verwendbar sind. Wer von seiner Liebsten Hase gerufen wird, darf jene Traumfrau ebenfalls mit Hase ansprechen. Häsin wäre zoologisch zwar richtiger, klingt allerdings längst nicht so liebevoll.

Noch verbreiteter ist der Schatz. Schatz ist er ebenso wie sie. Spötter sagen, diese Anrede habe den Vorteil, auch bei Wechsel der Partnerschaft weiterhin angewendet werden zu können. Wird Schatz auf Schaa…hatz gedehnt, könnte dies ein Hinweis auf eine nachlassende Innigkeit der Beziehung sein.

Zurück zum Anfang dieser Betrachtung: Als ich vor vielen Jahren in eine Klinik eincheckte, begrüßte mich ein Riesenkerl, Typ osteuropäischer Wrestler, grinsend mit den Worten: „Guten Morgen. Ich bin Schwester Iwan!“