Pierre Richard ist ein Kinostar aus einer Zeit, in der Filme ein langes Nach­leben hatten. Die Komödie, die ihm zu Weltruhm verhalf, „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“, gewann den Silbernen Bären auf der Berlinale 1973 und gehörte bis in die 80er-Jahre hinein zu den Filmen, aus denen ganze Generationen zitierten: „Mach mir den Hengst!“

Mit keinem anderen Film war Richard je wieder so erfolgreich, obwohl sein persönlicher Charme sehr viel besser gealtert ist als seine Filme – wie man in „Monsieur Pierre geht online“ ein weiteres Mal feststellen kann. Mit anderen Worten: Pierre Richard ist der zentrale Star und die eigentliche Überraschung dieser kleinen Komödie von Stéphane Robelin, und das soll dem heute 82-Jährigen erst mal jemand nachmachen.

Richard verkörpert Pierre, einen jener alten Männer, die fast schon zur Standardfigur des Kinos geworden sind: Verwitwet igelt er sich missmutig in seiner alten Pariser Wohnung ein. Von der forschen Tochter Sylvie (Stéphane Bissot) fühlt er sich gegängelt. Mit der charmanten Enkelin Juliette (Stéphanie Crayencour) hat er sich verkracht, weil sie sich von ihrem Freund getrennt und nun schon einen neuen hat. So fassen die beiden Frauen einen ziemlich hintersinnigen Plan: Sie schicken den neuen Freund als Computerberater zu Pierre und versprechen sich davon doppelten Gewinn.

Pierre soll übers Internet mehr Kontakt mit der Welt bekommen, und der arbeitslose Alex (Yaniss Lespert) kann sich was dazuverdienen. Dessen Identität als Juliettes Lover halten sie natürlich geheim. Aber bald schon fällt auch zwischen Pierre und Alex genug vor, das sie wieder­um den Frauen verheimlichen müssen. Denn so ungeschickt Pierre sich auch mit dem Computer anstellt, so virtuos weiß er bald dessen neue Flirt-Möglichkeiten zu bedienen. Zuerst lässt er noch frische Luft herein, wenn Alex ihn auffordert, „ein Fenster zu öffnen“. Kurz darauf versucht er beim Erstellen eines Profils auf einer Dating-Seite sein Foto durch diverse Schlitze in den Computer zu schieben.

Aber bald ist er bereits so versiert, dass er ein Foto von Alex verwendet und als seines ausgibt. Kann schon sein, dass er sich dadurch größere Chancen bei Flora (Fanny Valette) ausrechnet, steht die junge Frau doch altersmäßig eher Alex nahe. Aber so gravierend kommt dem Alten der Betrug gar nicht vor, sind es doch letztlich die seelenvollen Briefe, die er mit Flora austauscht, die ein Gefühl von Nähe zwischen ihnen entstehen lassen.

Das Schöne an „Monsieur Pierre“ ist nicht nur, wie Pierre Richard das alte Schlitzohr verkörpert, das vom Flirten nicht lassen kann, sondern dass die Dinge letztlich doch ein wenig anders kommen, als man denkt. Da gibt es zwar den klassischen Verwechslungs-Slapstick, wenn Alex sich überreden lässt, sich mit Flora zu treffen, während Pierre nur einen Tisch weiter sitzt. Oder die grotesken Zuspitzungen, zu denen es kommt, als Tochter und Enkelin Interesse an der neuen Freundin des Alten zeigen. Aber das zweifache Lügengerüst, das das Drehbuch hier gegeneinander ausspielt, sorgt nicht nur für Komik, sondern auch für ernste Momente, in denen der Wert von Tugenden wie Ehrlichkeit auf überraschend komplizierte Weise ausgelotet wird.

Natürlich hakt das Drehbuch an der Gestalt der Flora. Zum einen, weil ihr von den Männern übel mitgespielt wird. Zum anderen, weil es wenig plausibel ist, dass die intelligente Frau nicht merkt, dass der simpel gestrickte Melancholiker Alex nicht der elaborierte Briefeschreiber Pierre sein kann. Aber wenn man großzügig über die gewollte Kon­­struktion hinwegsieht, erweist „Monsieur Pierre“ sich als stimmungsvolle, bittersüße Komödie über die Liebe und das Altern.

„Monsieur Pierre geht online“ F/D/B 2017, 99 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Stéphane Robelin, Darsteller: Pierre Richard, Yaniss Lespert, Fanny Valette, täglich im Blankeneser, Holi, Koralle, Passage, Zeise