Das Brüsseler Märchen wird nicht gut ausgehen. Angesichts weltweiter Dämonen braucht die EU einen Neustart

Mal angenommen, Hänsel und Gretel würden mit 26 weiteren Knirpsen im Wald ausgesetzt, allein, ohne Waffen, aber mit Überlebenstechniken gesegnet. Entweder verlieren sich die Heranwachsenden im Dickicht, und jeder kommt alleine um. Oder man zerstreitet und zerfleischt sich. Oder es findet sich ein Miteinander, das Bürden und Vorräte halbwegs fair verteilt.

Womit wir bei Europa wären. „Das Schicksal in die eigene Hand nehmen“, hat die Kanzlerin gesagt, womit eine historisch einmalige Weltlage sehr dezent umschrieben wäre. Erstmals seit ihrem Bestehen steht die EU allein im Wald, wo Hexenhäuser das geringste Risiko bedeuten. Überall lauern Hyänen, Dämonen, Monstren.

Frei nach Heinrich August Winkler kann ein globaler Kraftraum EU nur als „normatives Projekt“ funktionieren, gebaut auf Regeln, Gesetzen, Pflichten. Und da geht’s los: Füreinander in den Krieg ziehen? Soziale Grundsicherung für alle? Verbindliche Grundrechte, Pressefreiheit zum Beispiel? Und natürlich Steuergerechtigkeit. Die eben zu Wasser gelassene „Mein Schiff 6“ versteuert ihre Gewinne im EU-Staat Malta, legal zu 0,05 Prozent. Da läuft was fundamental schief, wie auch bei der läppischen Symbolsteuer für den US-Konzern Apple.

Wenn die EU-Kommission nun ein „Reflexionspapier“ zur Währungsunion vorlegt, argwöhnt der ganze Kontinent, zu Recht. Die Brüssel-EU, ein Lobbypfuhl mit angeschlossenem Funktionärsbetrieb, ist kein Modell für die Zukunft. Nicht glaubwürdig, zu langsam, eine selbstherrliche, abgekoppelte Elite – Brüssel hatte alle Chancen, geblieben ist Populistenfutter.

In seiner historisch einmaligen Einsamkeit braucht Europa einen Neustart mit einer Koalition der Ernsthaften, die mehr wollen als Schlupflöcher. Das normativ Wertvolle aus Brüssel retten, dann Neustart ohne gigantischen Bremsapparat. Wer allein durch den Wald irrt, braucht Gefährten, die Anstand und Vertrauen mitbringen. Es bleiben nicht 28. Aber die richtigen.