Terrence Malicks Drama „Song To Song“ hat eine ureigene Ästhetik, die der Regisseur trotz Staraufgebots selbst ad absurdum führt

Kunst oder Kitsch? Pantheismus oder Küchenphilosophie? Terrence Malick spaltet wie kaum ein anderer Filmregisseur. Dabei genießt er einen Kultstatus wie sonst nur Woody Allen: Wenn er ruft, stehen die Stars Schlange. Und das, obwohl sein Nimbus lange nur auf zwei frühe Filmen basierte – und der Tatsache, dass er danach 20 Jahre nichts drehte.

Seit 1998 aber ist er zurück. Und hat eine ganz eigene Ästhetik kreiert: keine Handlung, kein Plot, der sich entwickeln würde. Klassischen Kinokonventionen verweigert er sich. Stattdessen zeigt er improvisierte Momentaufnahmen, die Figuren sprechen meist nur in hingehauchten Monologen aus dem Off. Der „Stream of Consciousness“, der Bewusstseinsstrom, den man aus der Literatur kennt, ist oft kongenial auf die große Leinwand übertragen. Eine Handschrift, die Malicks Filme unnachahmlich macht.

In „Tree Of Life“ (2011) übertrug er das Fremdsein auf Kindheit und Familie

Das hat Fans verzaubert, als Malick vom Fremdsein an extremen Orten erzählte. Von US-Soldaten, die in „Thin Red Line“ (1998) auf eine japanische Insel vordringen. Oder die Conquistadoren, die in „The New World“ (2005) den neuen Kontinent Amerika erobern. Vervollkommnet wurde dieser Stil in „Tree Of Life“ (2011), in dem das Fremdsein auf die eigene Kindheit und Familie übertragen wurde. Für einige freilich war Schluss, als Ma­lick dabei bis zum Urknall ging.

Seither scheiden sich an ihm die Geister. Malick dreht indes in immer schnellerem Tempo. Ob „To The Wonder“ (2011), in dem eine Französin in der amerikanischen Provinz vereinsamt, oder „Knight Of Cups“ (2015), wo die Figuren in der Unterhaltungsindustrie von L.A. arbeiten und das Fremdsein in Ma­licks eigenem Terrain ausgelotet wurde.

„Song To Song“ spielt artverwandt in der Musikszene von Austin in Texas. Eine Nachwuchssängerin (Rooney Mara) lernt einen mächtigen Plattenproduzenten (Michael Fassbender) kennen, aber durch ihn auch einen Musiker (Ryan Gosling). Eine Dreiecksgeschichte voller Geheimnisse und Verletzungen. Wie gewohnt umflirrt die Kamera dabei die Stars, zeigt sie lachend und busselnd, einsam und verzweifelnd. Die Menschen sind sich fremd, wenn die Glückswallungen vorbei sind.

Immer wieder sehen wir schöne Menschen auf mondänen Partys, in Luxus­appartments, an exotischen Schauplätzen. Und sie leiden, leiden, leiden. Statt aber eine Beziehung zu Ende zu erzählen, wird eine nächste dazugereiht: Der Produzent lernt eine Bardame (Natalie Portman) kennen, der Musiker eine Party-Queen (Cate Blanchett). Und auch die, man ahnt es, leiden und leiden. Es ist ein Wahnsinn, wie viele Stars Malick wieder versammelt, aber auch traurig, weil sie alle sich nicht entfalten können. Die Leere dieser Seelen will die Kamera (Emmanuel Lubezki) einfangen. Und doch bleibt auch sie nur an den schönen, glatten Oberflächen hängen, die der Film hinterfragt.

Mit der Musikbranche hat das alles wenig zu tun. Auch wenn mal Patti Smith, Iggy Popp oder die Red Hot Chili Peppers auftreten. Sie sind nur Authentizitätszeugen, kurze Ablenkung im ewigen Kummerreigen. Ach, die Schönen und Reichen mit ihren Luxusproblemchen!

In „Song To Song“ erschöpft sich Malicks einzigartige Ästhetik und führt sich selbst ad absurdum. Sein Kultstatus bröckelt. Umso spannender wird, was folgt: „Radegund“, bereits abgedreht, teils auch in Babelsberg, wird sein erster linearer Film seit Ewigkeiten. August Diehl spielt einen frommen Bauern, der sich dem Nazi-Regime verweigert. Womöglich erfindet sich Malick noch mal neu.

„Song To Song“ USA 2017, 129 Min., o. A.,
R: Terrence Malick, D: Rooney Mara, Michael Fassbender, Ryan Gosling, Cate Blanchett, Natalie Portmann, täglich im Abaton (OmU), Zeise;
www.studiocanal.de/kino/song_to_song