Hamburg. Dramatische Personalknappheit. Zwölf Strafkammern akut überlastet. Wie Justizsenator Steffen reagiert

„Land unter“ beim Hamburger Landgericht: Etliche Strafkammern sind personell am Ende ihrer Kapazitäten. Besonders dramatisch ist die Lage bei Verfahren, in denen Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzen. Es sei „wohl nur noch eine Frage der Zeit“, dass Verdächtige aus dem Gefängnis freigelassen werden müssen, weil ihre Prozesse nicht rechtzeitig beginnen können, sagt ein Insider.

Derzeit sind zwölf von insgesamt 29 Strafkammern so stark überlastet, dass ihnen keine Verfahren mehr zugeteilt werden können, in denen Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzen. „Haftsachen haben absolut oberste Priorität. Alle personellen Kapazitäten werden genutzt, um Verzögerungen zu vermeiden, die zu Haftentlassungen führen können“, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen.

Verfahren mit Untersuchungshaft sind wegen der Freiheitsentziehung besonders eilbedürftig, weil eine Hauptverhandlung innerhalb von sechs Monaten nach Verhaftung der Beschuldigten begonnen werden muss. Sonst besteht die Gefahr, dass ein Verdächtiger schon vor dem Prozess aus der ­U-Haft entlassen werden muss – und dann eventuell untertaucht. „Wir sehen im Moment, dass sich die Situation im gesamten Strafbereich des Landgerichts stark zuspitzt. Etliche Kammern, darunter eine Schwurgerichts- und alle vier Wirtschaftsstrafkammern, sind akut überlastet“, so Wantzen.

Justizsenator Till Steffen (Grüne) hat auf die Lage reagiert. „Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass eine weitere Kammer im Bereich der Wirtschaftsstrafsachen eingesetzt werden kann“, sagte Steffen dem Abendblatt. „Das reguläre Verfahren bis zur Berufung der Richter wird bis September dauern. Wir versuchen aber über kreative Lösungen schon vorher zu einer Entlastung beim Landgericht zu kommen.“ Die Zahl der Wirtschaftskammern war bereits im Jahr 2012 von drei auf vier aufgestockt worden. „Ich habe bislang keine Kenntnis davon, dass das Landgericht eine neue Kammer erhalten soll. Ich kann nur sagen, dass jede personelle Verstärkung des Landgerichts hochwillkommen und dringend erforderlich wäre“, sagte Landgerichtspräsidentin Sibylle Umlauf.

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