Natascha Plankermann

Wer sich zwischendurch eine Auszeit gönnt, statt durchzuarbeiten, wird laut Wissenschaftlern leistungsfähiger und kreativer. Der Alltag aber sieht meist anders aus. Rast- und ruhelos wird häufig durchgearbeitet und selbst abends werden die Dienstmails auf dem Smartphone gecheckt. Mit Folgen – wie Experten für das Thema Pause wissen. Sie raten zur persönlich gestalteten Auszeit als Weg zu mehr Kreativität und effektiverem Arbeiten.

Warum arbeiten viele Menschen ohne Unterbrechung?
„Pausen werden häufig als lästiges Übel betrachtet, das Zeit stiehlt und uns länger arbeiten lässt“, sagt Buchautorin
Ulrike Reiche, die als systemischer Coach, Organisationsberaterin und Yogaexpertin arbeitet. Dabei beschäftigt sie sich viel mit den Themen Arbeitszeitgestaltung und betriebliche Gesundheit. Sie beobachtet bei vielen, die bei ihr Rat suchen, die Einstellung, immer aktiv sein zu müssen – ganz im Sinne eines pflichtbewussten Arbeitsethos.

Hinzu kommt, dass es in vielen Unternehmen kein Pausenregime mehr gibt, in dem Unterbrechungszeiten tariflich festgelegt sind. Flexible Arbeitszeiten stehen dem laut Ulrike Reiche und Johannes Wendsche, Diplom-Psychologe bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), entgegen: Immer mehr Menschen müssen selbst entscheiden, wann und wie sie sich erholen. Das hat zur Folge, dass sie immer öfter durcharbeiten. Laut dem Stressreport 2012 der BAuA betrifft dies bereits ein Viertel der Beschäftigten.

Weshalb sind Pausen notwendig?
„Es gibt Meta-Analysen, die zeigen, dass eine entspannende Unterbrechung Kreativität und Lernleistung fördert. Denn kaum jemand kann konzentriert und ohne Fehler zu machen stundenlang durcharbeiten“, sagt Johannes Wendsche. Er befasst sich in seiner Doktorarbeit mit den Mechanismen und der Wirkung von Kurzpausen auf die Folgen von Beanspruchung, etwa Ermüdung oder Leistungstiefs.

Ulrike Reiche vergleicht pausenloses Arbeiten mit dem Effekt des Schlafentzugs: In beiden Fällen werde die Kraft aufgezehrt – Schlafentzug sei ja sogar eine Möglichkeit der Folter. Arbeitsmedizinerin Dr. Monika Stichert ergänzt: „Es ist bekannt, dass müde und ausgebrannte Menschen langfristig ein höheres Krankheitsrisiko haben. Bluthochdruck, Magen-Darm-Probleme, Migräneanfälle oder Burnout können die Folgen sein.“ Hinzu komme, dass viele bei Überlastung mittel- und kurzfristig nach Feierabend nicht mehr abschalten könnten. Sie leiden dann etwa unter Ein- und Durchschlafstörungen oder bekommen ein geschwächtes Immunsystem. Der notwendige Erholungsbedarf wachse mit der Belastungsdauer. Mit zunehmendem Alter steigere sich dieser Effekt noch, sagt Stichert.

Die dauernde Beanspruchung führt nach ihren Worten nicht selten zu geistiger beziehungsweise psychischer Überlastung – Akkordarbeiter werden „überdreht“ oder kommen nicht mehr zur Ruhe. Ihr Stresshormonspiegel, vor allem das Cortisol mit einer Halbwertzeit von rund 14 Stunden, nimmt überhand. Um solche Entwicklungen zu verhindern, schreibt das Arbeitszeitgesetz in Paragraf vier vor, wer sechs Stunden arbeitet, hat Anspruch auf eine halbe Stunde Pause. Wissenschaftler Wendsche empfiehlt, zusätzlich kurze Erholungsphasen in Momenten der Erschöpfung einzuplanen.

Brauchen Menschen unterschiedliche Arten von Auszeiten?
Ja, sagt Coach Ulrike Reiche, die dazu eine Ratgeberreihe verfasst hat. „Der eine tauscht sich gern mit Kollegen aus, während der andere sich lieber in Ruhe in den Park zurückzieht. Und ein dritter möchte sich gern bewegen.“ Welcher Pausentyp man sei, liegt laut der Expertin nicht nur in der Persönlichkeit begründet, sondern auch im Job: Dass jemand, der stundenlang allein am Computer mit Zahlen jongliert, gern zur Entspannung mit anderen Menschen ausgeht, liegt fast auf der Hand. Während ein anderer, der als Seminarleiter vor Publikum steht, anschließend oft lieber im stillen Hotelzimmer auf dem Bett liegt.

Wie finde ich heraus, was mir guttut?
Ulrike Reiche fragt bei ihren Coachings: Wo können Sie sich gut entspannen? Bei welcher Tätigkeit? Sie empfiehlt den Teilnehmern, in diese Richtung zu denken. Entsprechende Fragen können auch bei einer Teambuilding-Maßnahme im Unternehmen gestellt werden.

Wer es nicht schafft, sich in Auszeiten richtig zu erholen, sollte nach Ansicht von Coach Reiche seine Gewohnheiten hinterfragen und ändern. Nach dem Motto: Was könnte ich tun, statt Kaffee zu trinken und einen Schokoriegel zu essen? Bewegte Pausen haben dabei aus Sicht von Arbeitsmedizinerin Monika Stichert einen besonderen Sinn: „Dadurch kann der erhöhte Cortisolspiegel, der im Körper durch Stress entsteht, reduziert werden. Das hilft, wieder zur Ruhe zu kommen.“ Sportcoachs im Fitness-Studio oder im Verein können ebenso wie der Hausarzt dabei helfen, die passende Pausen-Sportart zu finden. Oder man fragt Menschen, die eine Erkrankung mithilfe von Bewegung erfolgreich bewältigt haben, nach ihren Tipps.

Wer sich entscheidet, seine Pausen vermehrt der Fitness zu widmen, muss deshalb noch lange nicht das Miteinander vernachlässigen: Denn er kann ja die Erholungszeiten während der Woche variieren, mal aufs Laufband gehen und dann wieder mit den Kollegen in die Kantine.

Welche Rolle spielen Vorgesetzte und Kollegen?
Der Chef, der selbst durcharbeitet oder Aufgaben genau dann verteilt, wenn eigentlich Pausenzeit ist, torpediert die notwendige Erholung. Die Experten Ulrike Reiche und Johannes Wendsche fordern Führungskräfte stattdessen auf, Vorbilder zu sein und Mitarbeiter zur Pause aufzufordern – auch im Sinne besserer Arbeitsergebnisse.

Psychologe Wendsche: „Studien zeigen, dass man seine Arbeit effektiver erledigt, wenn man zwischendurch eine vorausgeplante, kurze Pause macht.“ Im Team können Geschäftspartner einander auffordern, zu pausieren. Oder Kollegen disziplinieren die Dauerarbeiter und laden diese beispielsweise zu einem Kaffee ein.