Hamburg und seine PartnerLeón, Marseille und Da­r­es­sa­lamkönnen einiges voneinander lernen

Es gibt Leute, die halten Städtepartnerschaften in Zeiten der Globalisierung für einen alten Zopf – Billigflieger haben das Ausland für kleines Geld erreichbar gemacht, selbst die exotischsten Plätze liegen nur einen Mausklick entfernt. Die Welt schnurrt zusammen. „Und trotzdem bleiben Städtepartnerschaften aktuell“, sagt Wolfgang Schmidt. „Vielleicht sind sie sogar aktueller denn je.“ Schmidt ist Staatsrat der Senatskanzlei, zugleich Bevollmächtigter beim Bund, bei der Europäischen Union und für auswärtige Angelegenheiten. Wenn es ein solches Amt gäbe, würde man ihn vermutlich „Hamburgs Außenminister“ nennen.

„Wer Städtepartnerschaften für Liebhaberei hält, sollte sich einmal vor Ort umsehen“, sagt Schmidt. Natürlich seien die Probleme sehr unterschiedlich, es gehe aber um Austausch und gemeinsame Lösungsansätze. In León, der nicaraguanischen Partnerstadt, hat Hamburg gerade bei der Sanierung des Schlachthofs geholfen, damit die Abwässer nicht länger ungereinigt versickern – so breiten sich weniger Krankheiten aus, Fehlzeiten werden verringert. Die Hansestadt hat das Projekt betreut, bezahlt hat vor allem die Bundesrepublik.

Der große Vorteil von Partnerschaften zwischen Kommunen lägen in den persönlichen Kontakten. „Die gehen auch nach dem Ende des Projekts weiter – das sichert Effizienz und Langfristigkeit“, so Schmidt. Gerade mit León, seit 1989 mit Hamburg im Rahmen einer Entwicklungspartnerschaft verbunden, gibt es inzwischen viele persönliche Verbindungen, etwa über Programme wie Weltwärts, aber auch über Projekte der Universität. Als Umwelthauptstadt Europas unterstützt Hamburg in León eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Die Partnerschaft mit Da­r­es­sa­lam, 2010 besiegelt, ist eine junge Pflanze und muss noch wachsen. Auch hier geht es nicht nur um die Hilfen der reichen Hafenstadt im Norden für die Hafenstadt am Indischen Ozean, sondern auch um das gegenseitige Lernen. „Zwischen Da­r­es­sa­lam und Hamburg soll es nicht um einseitige Beratung und Unterstützung gehen, sondern vor allem um die Begegnung von Menschen aus unseren unterschiedlichen Kulturen und eine Verbindung, in der beide voneinander lernen“, hatte die damalige Zweite Bürgermeisterin Christa ­Goetsch einst betont. Schon seit Längerem gibt es einen Austausch von Kirchen und Hochschulen. Zuletzt hat die Hansestadt im Rahmen der lokalen Klimapartnerschaft bei der Kompostierung von Marktabfällen und der Energiegewinnung geholfen; hier hilft die Stadt beim Aufbau urbaner Strukturen. Zugleich hoffen die Hamburger auf eine weitere Stärkung der Zivilgesellschaft in Tansania. „Dort müssen die Kontakte mit Leben gefüllt werden“, sagt Schmidt.

Viele Kontakte verbinden Hamburger schon seit 1958 mit den Bewohnern von Marseille. 2013 lag die Kulturhauptstadt Europas am Mittelmeer – von der ältesten Metropole Frankreichs kann die Hansestadt lernen, die mit der Eröffnung der Elbphilharmonie einen ungeheuren Schub bekommen hat. Wie nachhaltig sind kulturpolitische Leitbilder für die Stadtentwicklung? Wie wirken sich Großereignisse auf die lokale Kultur aus? In der zweitältesten Partnerschaft geht es aber auch um die ganz alltägliche Zusammenarbeit zum Nutzen beider. „Wir tauschen uns mit Marseille aus, um in Zukunft nur noch emissionsfreie Busse anzuschaffen.“

Schmidt hält Städtepartnerschaften für ein wichtiges Mittel, die Ziele der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen umzusetzen. Hier haben Industrie- und Entwicklungsländer vereinbart, ihr Handeln künftig an 17 Zielen, etwa Armutsbekämpfung, Klimaschutz oder Bildung, auszurichten.

„Städtepartnerschaften um der Städtepartnerschaft willen bringen niemanden weiter“, sagt Schmidt. Deshalb sei Hamburg bei neuen Anfragen auch skeptisch. „Wichtig ist, die existierenden Verbindungen mit Leben, Kontakten und Ideen zu füllen, sie zu veredeln. So funktionieren sie langfristig.“