Die Festreden sind verklungen. Die Laudationen verhallt. Doch das schönste Geschenk zu seinem 70. Geburtstag hat Jim Osterberg, den alle nur als Iggy Pop kennen, von Independent-Regisseur Jim Jarmusch bekommen. Einen sehr persönlichen Dokumentarfilm über die wichtigste Band seines Lebens: The Stooges. „Gimme Danger“ heißt der, nach einem gleichnamigen Stooges-Song.

Es war Ende der 60er-Jahre, als der Rock Blumen im Haar hatte und sich in psychedelischen Eskapismen verlor. Da zeigten ihm The Stooges den Mittelfinger und zogen ihn mit einer gehörigen Portion Nihilismus laut lärmend zurück in den Dreck der Straße. Mit der Macht der drei Akkorde und einem selbstzerstörerischen Sänger suhlten sie sich in einem krassen, provokanten Rock ’n’ Roll, der alles vorwegnahm, was ein Jahrzehnt später zum Punk werden sollte.

In seinem Film outet sich Jim Jarmusch als Fan, für den die Stooges schlicht die beste Rockband aller Zeiten waren. Und sind. So erzählt er in akribischer Chronologie ihre Anfänge und ihr Ende, nutzt das wenige bekannte Live­material von Stooges-Auftritten und reichert das Ganze mit zahlreichen TV-Schnipseln der 60er-Jahre sowie eigens erstellten kurzen Animationen an. Und zahlreichen Interviews mit Iggy und Weggefährten.

Als James Newell Osterberg am 21. April 1947 in Muskegon im US-Bundesstaat Michigan geboren, wuchs Iggy Pop in einer Wohnwagensiedlung heran, wurde zunächst Schlagzeuger in der Band The Iguanas in Ann Arbor/Michigan und versuchte sich in der Blues-Formation The Prime Movers in Chicago. Doch, so erzählt er im Film: „Irgendwann saß ich am Fluss, rauchte einen Joint und stellte fest, dass ich nun mal nicht schwarz bin.“

So kehrte er nach Ann Arbor zurück und gründete zusammen mit Gitarrist Ron Asheton, dessen Bruder Scott Asheton am Schlagzeug und Bassist Dave Alexander 1967 die Stooges. Der Sound war ungeheuer rau und gereizt, die Texte plakativ und pointiert. Er wollte den lärmenden „Megaklang“ gewalzten Blechs wie in den Ford-Werken von Detroit haben, sagt Iggy Pop. Und für die Texte genügten kaum mehr als zwei Dutzend Worte.

Im Film sieht man einen Ausschnitt aus der amerikanischen TV-Kindersendung mit Soupy ­Sales, der seine kleinen Zuschauer auffordert, ihm zu schreiben. Die Botschaft solle aber nicht mehr als 25 Wörter haben. Das habe ihn inspiriert, meint Iggy Pop. Und fügt nicht ohne Ironie an, dass dieses ellenlange „Blah-Blah-Blah“ eines Bob Dylan nun mal nicht seine Welt gewesen sei. Die Stooges seien die wahren Kommunisten gewesen, sagt er. Sie lebten gemeinsam in einem abbruchreifen Haus. Sie teilten alles. Auch die Autorenrechte für ihre Songs wie „I Wanna Be Your Dog“, „No Fun“ oder „Search And Destroy“. Damit und mit ihren legendären Liveauftritten haben sie Rockgeschichte geschrieben. Nur hat es anfangs kaum einer bemerkt.

1969 erschien das Debütalbum „The Stooges“, produziert von John Cale. 1970 wurde das zweite Album, „Fun House“, veröffentlicht. 1973 nahmen sie, protegiert von David Bowie, ihr drittes Album, „Raw Power“, auf. Nach knapp sechs Jahren und den drei großartigen LPs zerbrachen sie 1973 in einem Chaos aus Drogen, Suff und Streit. Bassist Dave Alexander starb 1975 vermutlich an den Folgen von Alkoholmissbrauch.

Jarmusch konzentriert sich auf die frühen Jahre der Band und vor allem auf Iggy Pop. Die beiden kennen sich schon länger. Iggy Pop wirkte bereits in den Jarmusch-Filmen „Dead Man“ (1995) und „Coffee And Cigarettes“ (2003) als Schauspieler mit. Die Karriere Iggy Pops ohne die Stooges wird ausgespart. Dafür, wenn auch nur kurz, die Wiedervereinigung der Stooges 2004. Iggy Pop und James Williamson sind heute die einzigen Überlebenden der Stooges. So ist „Gimme Danger“ auch zum Denkmal für eine Rock-Legende geworden, die sich noch in einer Zeit austoben konnte, in der die Musikindustrie nicht alle Ungezügeltheit des Rock ’n’ Roll glattbügeln konnte.

Und Iggy Pop? Er steht weiter auf den Rockbühnen der Welt, seine freie Zeit verbringt Jim Osterberg inzwischen freilich im heimischen Garten in Miami. Er hat seinen vom schnellen Leben gezeichneten Körper gestählt und schon in den ­80ern den Drogen abgeschworen. Nun will er auch das anstrengende Tourneeleben einschränken. Aber ob er das durchhält? Mal sehen.

„Gimme Danger“ USA 2016, 108 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Jim Jarmusch, täglich im Abaton (mit Untertiteln), Studio, Zeise