Im September 1996, vor mehr als 20 Jahren also, verklagte der britische Historiker David Irving die amerikanische Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt wegen Beleidigung, übler Nachrede und Geschäftsschädigung. Deborah Lipstadt hatte Irving in ihrem aufsehenerregenden Buch „Betrifft: Leugnen des Holocaust“ als Bewunderer Adolf Hitlers, als Geschichtsverzerrer und Sprachrohr der Holocaust-Leugner bezeichnet.

Mit den Überzeugungen Irvings stand auch erstmals die Frage zur juristischen Begutachtung, ob Zweifel an der Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten Plausibilität beanspruchen können – das machte den Prozess zu einem international gewichtigen Ereignis. Er endete mit einer für viele erleichternden Niederlage David Irvings – erleichternd deshalb, weil es sich beim Holocaust um ein historisch vielfach belegtes Faktum handelt, das man nicht willkürlich ins Reich der Meinungen und damit des Relativismus verbannen kann.

Und das macht diesen interessanten Film so relevant für die Gegenwart, in der von politisch daran interessierter Seite die Grenzlinie zwischen Tatsache und Ansicht zusehends verwischt wird. Regisseur Mick Jackson beweist ein waches Gespür für die vielfältigen Kontraste, die in diesem Prozess sichtbar wurden. Da waren zum einen die beiden Hauptfiguren, für die er mit Timothy Spall und Rachel Weisz die Idealbesetzung gefunden hat: David Irving, ein einschüchternd belesener, fließend Deutsch sprechender ­Demagoge mit dämonischer Attitüde auf der einen Seite – und die lebensfrohe, ebenso kluge wie sensible Deborah ­Lipstadt auf der anderen Seite. In ihrem Duell findet der Film einen dramaturgischen Motor, aber eben nicht ausschließlich in ihm.

Denn Mick Jackson geht es auch um die Differenzen zwischen Großbritannien und den USA. Das britische Rechts­wesen unterscheidet sich in vielen Punkten vom amerikanischen, es hebt sich ab. Es kennt die Trennung von „Solicitors“ und „Barristers“, also von Anwälten, die einen Prozess vorbereiten, und jenen, die ihn vor Gericht vertreten. Vor allem aber verlegt es bei Verleumdungsklagen die Beweislast auf die Schultern des Beklagten. Mit seinen Holzvertäfelungen, Perücken und Ritualen (zum Beispiel der Verbeugung vor dem eintretenden Richter) verfügt es außerdem über viel größere historische Restbestände, neben der ein US-Court wie das Wartezimmer einer gut
situierten Zahnarztpraxis wirkt.

Der Film ist deshalb auch eine spannende Studie über kulturelle Reibungsflächen (weshalb man ihn auch im Original sehen sollte und nicht in der hilflosen deutschen Synchronisation). Sein eigentliches Anliegen wird durch diese Präzision umso glaubwürdiger: zu zeigen, dass man sich über das Zustandekommen des Holocausts, über seine Umsetzung und die Motive der Beteiligten durchaus in einem gewissen Rahmen streiten kann – dass aber das Leugnen seiner Existenz nichts weiter ist als geschichtsrevisionistische Propaganda mit einer oft rechtsradikalen Agenda.

Verleugnung USA 2017, 110 Minuten, ab 12 Jahren,Regie: Mick Jackson, Darsteller: Rachel Weisz, Tom Wilkinson, Timothy Spall, täglich im Abaton (OmU), Blankeneser, Holi, Koralle, Zeise