Mit einem Fußtritt sorgt Tiger (Ella Rumpf) für Tatsachen. Margarete (Maria Dragus), schüchternes Blondchen, wollte da gerade mit dem Auto in eine Parklücke. Tiger haut mit einem Kick kurzerhand den Seitenspiegel des anderen Wagens ab. „Jetzt passt’s“, sagt sie, ohne mit der Wimper zu zucken, zu Margarete.

Es ist der fulminante Auftakt einer energiegeladenen Freundschaft zweier höchst unterschiedlicher junger Frauen, gegen die „Thelma und Louise“ wie Nonnen wirken. Margarete passt sich an, will dazugehören und scheitert immer wieder. Tiger schlägt sich mit Gaunereien durch. Maggie ist schnell fasziniert von der punkig-schroffen Art und lässt sich Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen und Hedonismus beibringen.

Sie ziehen durch Berlin und machen die Stadt unsicher, ziehen Passanten ab. Ein Höllenspaß. Doch „Vanilla“, wie Tiger die schüchterne Maggie nennt, als sie sich zum ersten Mal gegen aufdringliche Kerle wehrt, nimmt die Lektionen bald zu ernst. Aus der spießigen Loserin wird eine gnadenlose Abzockerin, die das Gewaltmonopol erschreckend wahllos für sich beansprucht. Der Film wummst, nicht nur dank peitschenden Electropunk-Soundtracks, auch dank der schnellen Schnitte und stilisierten Einstellungen. Das ist Anti-Betroffenheitskino, fast ganz ohne psychologische Erklärungen und Belehrungen. Um Realismus geht’s nicht.

Tatsächlich ist es ein wilder Genremix, den Jakob Lass da abliefert. Spektakelkino, das auf Affekt setzt statt Ausein­andersetzung. Lass nennt es „Martial Arthouse“ und hat damit ein neues schmissiges Label gefunden.

„Tiger Girl“ D 2017, 91 Min., ab 16 J., R: Jakob Lass, D: Ella Rumpf, Maria Dragus, Enno Trebs, täglich im Abaton, Studio UCI Mundsburg, Zeise