Der mit Stars besetzte Action-Film „Free Fire“ bietet kaum mehr als eine Mammutschießerei

Es ist die vielleicht längste Schießerei der Filmgeschichte. Und mit Sicherheit die aberwitzigste. Mal sehen, ob wir das im Nachhinein noch so genau rekonstruieren können: Im Boston des Jahres 1978 wollen Anhänger der IRA von einer örtlichen Gangsterbande ein Arsenal an Waffen kaufen. Da man sich nicht kennt, aber von Herzen misstraut, haben beide Seiten noch einen Mittelsmann respektive eine Mittelsfrau organisiert. Sowie ein paar Fahrer, die nicht unbedingt die hellsten sind. Und Heckenschützen lauern auch noch.

In der Lagerhalle, in der der Deal vollzogen wird, knistert es von Anfang an vor aufgeladener Spannung. Und als einer der Fahrer in einem der IRA-Leute den Typen erkennt, mit dem er sich am Vorabend in einer Kneipe geprügelt hat, ist es dieser kleine Funke, der das Pulverfass zum Explodieren bringt. Ein erster Schuss, ein zweiter, und bald wird geballert, was die Munition hergibt. Und die liegt da ja praktischerweise in vollen Kisten.

Das ist jetzt auch schon die ganze Handlung, und nicht nur grob umrissen. Ben Whitley braucht nicht viel für sein Genre-Kammerspiel. Eine öde Halle und ein paar Stars (Armie Hammer, Brie Larsen, Cillian Murphy und Sam Riley), die er allerdings in ziemlich schrille 70er-Jahre-Outfits steckt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Es gehen Schüsse daneben oder treffen als Querschläger die eigenen Leute

„Free Fire“ löst genau das ein, was der Titel verspricht. Wobei erst mal mit deftigen Sprüchen geschossen wird, lauter Oneliner, die sehr viel ­genauer treffen als die Geschosse. Im Kino eines Sam Packinpah waren die Shoot-outs immer perfekt inszenierte Choreografien, gern in Zeitlupe stilisiert. In „Free Fire“, obwohl ebenfalls akribisch einstudiert, herrscht dagegen Chaos. Da gehen lauter Schüsse daneben oder treffen als Querschläger die eigenen Leute, Pistolenläufe klemmen, und vor lauter Pulverdampf ist bald kaum noch was zu sehen. Die entfesselte Kamera irrt genauso panisch durchs Schussfeld wie die Ziele und gibt dem Zuschauer keine Orientierung.

Die Protagonisten werden immer aufs Neue angeschossen, schleppen sich durch die Halle und kriechen durch Dreck und Blut, sind überhaupt immer weniger zu unterscheiden. Ein hübscher Ausruf, von wem auch immer, bringt den Film auf den Punkt: „Ich weiß nicht mehr, auf welcher Seite ich stehe.“

Regisseur Whitley kennt sich im Genrekino aus. Und extreme Exzesse auf engstem Raum, das scheint sein Ding zu sein. In seinem vorigen Film „High Rise“, nach James Graham Ballards Kultroman, wohnten Angehörige verschiedener Gesellschaftsschichten in einem Hochhaus, bis dieser Sozialversuch in Revolte und Gewalt umschlug. Das war eine grelle Metapher auf die moderne Gesellschaft. „Free Fire“ dagegen steht für nichts. Außer für den Spaß am Trash. Als habe sich Whitley eine Blaue-Bohnen-Pause gegönnt. Die Exploitation-Replik auf „High Rise“, wenn man so will.

Nur sind selbst 90 Minuten dafür ein wenig lang. Denn die Figuren, sie machen keine Entwicklung durch. Und am Ende überrascht der Film nicht mit neuen Wendungen, nur noch mit unappetitlichen ­Effekten. Schade. Da wäre mehr drin gewesen.

„Free Fire“ USA 2017, 90 Min., ab 16 J.,
R: Ben Whitley, D: Cillian Murphy, Armie Hammer, Brie Larson, Sam Riley, Michael Smiley, täglich im Abaton (OmU), Savoy (OF), Studio-Kino (OmU), UCI Othmarschen-Park