In der Internatonalen Schule in Flottbek wird Englisch gesprochen. Das Schulgeld beträgt bis zu 20.000 Euro. Aber auch einkommensschwächere Familien haben Chancen

Der 3-D-Drucker im Werkraum surrt, liefert auf den Millimeter genau den nächsten Kunststoff-Baustein für das ehrgeizige Ziel, ein Modell der kompletten Schule per Computer und 3-D-Technik zu erschaffen. Ein paar Türen weiter topft eine Lehrerin mit Schülerinnen Pflanzen, in ein paar Wochen, sagt sie, werde man die volle Blütenpracht sehen. Aus den Fenstern fällt der Blick auf einen Kunstrasen-Platz mit einer Leichtathletikanlage, auf die viele Hamburger Sportvereine neidisch wären.

Wer die Bilder von zum Teil maroden Stadtteilschulen und Gymnasien kennt – der Senat hat 2011 ein Sanierungsprogramm von drei Milliarden Euro angeschoben – wähnt sich in der Internationalen Schule (ISH) in Flottbek wie in einem Paradies. Während am Gymnasium Altona, gerade mal zehn Autominuten entfernt, seit Jahren Schüler in Containern unterrichtet werden müssen, fällt hier das Licht durch bodentiefe Fenster in Klassenzimmer, die zum Teil mit Sofas ausgestattet sind. Die Bibliothek hat die Ausmaße einer mittleren öffentlichen Bücherhalle, eine Leseecke für die Kleinen ist abgetrennt. Im Kunstraum ist ein Fotostudio eingerichtet, nebenan kann getöpfert werden. Die Sporthalle verfügt über zwei große Spielfelder.Und eine kleine Sporthalle gibt es auch noch.

Dieses Idyll hat seinen Preis. Die Eltern zahlen bis zu 20.000 Euro Schulgeld im Jahr (gestaffelt nach Schuljahren, je höher die Klassenstufe, umso teurer wird es). „Wer zahlen kann, lernt mehr – Schulauswahl mit der Brieftasche“, titelte 2014 die „taz“. Die Linken-Fraktion kritisierte, dass die Stadt die Schule überhaupt noch fördere – im Vergleich zu anderen Privatschulen sei das Schulgeld viel zu hoch.

Schulleiter Andrew Cross hält dagegen, dass jeder vierte Schüler das Schulgeld nicht in voller Höhe zahlen: „Uns ist sehr wichtig, dass auch diese Schüler eine Chance haben, zu uns zu kommen. Ausländische Angestellte, die etwa nur für ein paar Jahre mit ihrer Familie nach Hamburg kommen, sind auf eine Schule wie die unsere angewiesen.“ Auch die Schulbehörde hält „das Bildungsangebot der ISH für den Wirtschaftsstandort einer Metropolregion für unverzichtbar.“

An einem Montagnachmittag sitzen Spencer Dietz (18) und Jennifer Alveskrog (18) in einem Klassenraum der ISH. In der Ecke steht wie in jedem Klassenzimmer der Schreibtisch eines Lehrers, jeder Pädagoge hat einen eigenen Arbeitsplatz, an der Wand hängt ein interaktives Whiteboard, eine elektronische Tafel, die mit Laptops und Internet verbunden werden kann. Dietz und Alveskrog haben soeben eine Probeklausur für ihren Schulabschluss geschrieben, in wenigen Wochen stehen die entscheidenden Prüfungen an.

Spencer Dietz hat deutsch-amerikanische Wurzeln, Jennifer Alveskrog dänisch-brasilianische. Dietz‘ Vater arbeitet als Unternehmensberater für internationale Kunden, der Vater von Alveskrog bei Airbus – beide Schüler stehen für das Motto der ISH: „An education for today for global citizens of tomorrow“ (Eine Ausbildung von heute für die Weltbürger von morgen).

Bei der Frage, was ihm an der Internationalen Schule besonders gut gefalle, muss Spencer Dietz nicht lange überlegen: „Eigentlich alles.“ Auch das Programm nach Schulschluss sei überragend, er könne dann etwa Basketball spielen. Jennifer Alveskrog liebt die internationale Atmosphäre, allein die kulinarische Vielfalt, die sie durch ihre Mitschüler kennengelernt habe, sei sensationell. „Ich bin überzeugt, dass diese Schulform in Zukunft noch wichtiger wird. Denn unser Leben wird immer globalisierter werden“, sagt Schulleiter Cross.

Im Foyer der Schule hängen 50 Fahnen für die Herkunftsländer der 765 Schüler. Dabei waren die Anfänge der Internationalen Schule in der Hansestadt bescheiden. 1957 starteten 50 Schüler aus zwölf Nationen in einer Villa am Harvestehuder Weg. Zwei Jahre später zog man den Standort an der Waitzstraße, 1973 in den Holmbrook. Bis 2010 entstand dann am Hemmingstedter Weg der Neubau auf einem Gelände von 41.000 Quadratmeter für 23 Millionen Euro; inklusive eines Kindergartens, hier Primary School genannt. Doch auch die Idylle hat ihre Tücken. Unterrichtssprache ist Englisch, wer hier startet, sollte die Sprache schon recht gut beherrschen. Die Schule nimmt jedoch auch Schüler, deren Muttersprache nicht englisch ist, spezielle Sprachprogramme schließen die Lücken.

Aber das erhöht den Stress. Ein Kind mit etwa italienischen Wurzeln muss den komplexen Mathe-Stoff dann auch noch in einer ungewohnten Sprache pauken. Doch ein gewisses Maß von Nachhilfe ist im Preis mit drin, die Lehrer nehmen sich dafür nach Schulschluss Zeit. Das ist machbar, da der Lehrer/Schüler-Schlüssel viel besser ist als an staatlichen Schulen – es sind nie mehr als 24 Schüler in einer Klasse, es gibt Kurse auch für sieben oder acht Schüler. Der Begriff Klasse ist ohnehin irreführend. Die Schüler kommen jeden Morgen um 8:15 Uhr zu ihrem Tutor, einem Lehrer, der sie über Jahre begleitet. Mit ihm können sie eine Viertelstunde über die anstehenden Projekte oder private Sorgen sprechen.

Nach der zwölften Klassenstufe schließen die Schüler ihre Schullaufbahn mit dem International Baccalaureate Diploma (IB) ab, einem Abschluss, der von den meisten Universitäten der Welt anerkannt wird. Spencer Dietz wird indes erstmal eine einjährige Auszeit nehmen. Erstes Ziel: Südafrika, eine Tierauffangstation. Jennifer Alveskrog will Psychologie studieren, wahrscheinlich in Schottland.

Die ungewöhnlichste Karriere aller ISH-Schüler legte wohl Carl Wolmar Jakob von Uexküll (72) hin. Der Schriftsteller, Sohn eines schwedischen Journalisten, stiftete den „Alternativen Nobelpreis“, der seit 1980 an Menschen vergeben wird, die sich für menschenwürdige Lebensbedingungen einsetzen.