„The Purchaser’s Option“ heißt der erste Song auf Rhiannon Giddens’ zweitem Album „Freedom Highway“. Diese „Wahl des Käufers“ wird im Booklet in der historischen Abbildung einer Zeitungsannonce aus dem 18. Jahrhundert erklärt. „Zu verkaufen“, steht dort. „Ein bemerkenswert kluges gesundes Neger-Dienstmädchen, 22 Jahre alt, gewohnt, im Haushalt und auf dem Feld zu arbeiten. Sie hat ein neun Monate altes Kind, über das der Käufer die Wahl hat.“ Die ganze Herz­losigkeit der Sklaverei zeigt sich in diesem Lied, in dem Frauen nicht einmal darüber entscheiden konnten, ob sie ein Kind behalten durften. Schwarze Menschen waren damals Objekte und wurden als Ware gehandelt.

Giddens, Tochter eines weißen Vaters und einer schwarzen Mutter, hat für ihr zweites Album Songs geschrieben oder gecovert, die sich mit der andauernden Ungleichheit zwischen den Bevölkerungsgruppen in den USA beschäftigen. Sie schlägt einen Bogen von der Sklavenhaltergesellschaft bis zu den Ermordungen junger schwarzer Männer durch weiße Polizisten in Ferguson, Baltimore und anderen US-Städten.

Noch einmal erinnert sie in „Birmingham Sunday“ an den 15. September 1963, als ein Mitglied des Ku-Klux-Klan eine Bombe an der 16th Street Baptist Church in Birmingham (Alabama) deponierte, bei deren Explosion vier schwarze Mädchen starben und 23 weitere Menschen verletzt wurden. Auch den „Freedom Highway“ der Staple Singers holt sie wieder hervor. Das Lied sangen die Bürgerrechtler in den 60er-Jahren, als sie für Freiheit und Segregation auf die Straße gingen. „Die ganze Welt staunt, was alles falsch in den Vereinigten Staaten läuft“, heißt es darin. Ein Satz, der 50 Jahre später wieder gültig ist. Giddens’ Album ist hochpolitisch. „Kenne deine Geschichte. Lass dich von ihr schockieren“, sagt die 40 Jahre alte Sängerin.

Giddens, in North Carolina geboren, zählt dank des Einsatzes von Banjo, Mandoline und Geige zur Folk-Bewegung, doch auf „Freedom Highway“ erweitert sie ihre stilistische Bandbreite. Es gibt Songs wie „Hey Bebé“ und „Come Love Come“, die aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen könnten und archaische Blues-Nummern sind; „At The Purchaser’s Option“ und „Julie“ klingen nach Appalachen-Folk, und in „We Could Fly“ singt Giddens, als wäre sie eine Enkeltochter der Folk-Ikone Joan Baez. Auch zwei Nummern mit großer Besetzung inklusiver Bläser-Sektion gibt es: „Better Git It Right The First Time“ und der Titelsong sind erstklassiger Bluesrock.

Vor zwei Jahren schon begeisterte Rhionnan Giddens bei ihrem Auftritt im Mojo Club mit ihrer mitreißenden Stimme, ihrer Bühnenpräsenz und einer erstklassigen Band. Am 27. März kommt sie wieder in den Club an der Reeperbahn 1, um ihre neuen brisant-aktuellen Songs zu präsentieren. Für ihr Debütalbum „Tomorrow Is My Turn“ erhielt sie 2015 einen Grammy, auch „Freedom Highway“ besitzt alle Qualitäten, um den nächsten Musikpreis zu bekommen. Und wenn man Künstler für ihre Live-Qualitäten auszeichnen würde, gehörte Giddens immer zu den Preisträgern.

Rhiannon Giddens Mo 27.3., 20 Uhr, Mojo Club, Reeperbahn 1, Karten zu 28,20 Euro im Vorverkauf