UKE-Mediziner legen nach Pilotstudie neue Ergebnisse vor

Aus dem heiteren Himmel sticht es im Kopf, der Magen rebelliert, vor den Augen flimmert es, Licht, Lärm und alle Gerüche sind unerträglich – das sind die klassischen Anzeichen einer Migräne-Attacke. „Etwa 14 Prozent der Deutschen, also gut elf Millionen Menschen, leiden unter Migräne. Alle anderen Formen von primären Kopfschmerzen sind dagegen gering verbreitet“, sagt Professor Arne May, Leiter der Kopfschmerzambulanz am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Es sind überwiegend Frauen, die diese Schmerzattacken ereilen. Nur 20 Prozent der Patienten sind Männer. „Wenn Jungen unter Migräne leiden, dann verschwindet diese meist mit der Pubertät. Und werden Frauen, die eine Migräne haben, schwanger, dann bleiben sie zumindest in der Zeit meist beschwerdefrei“, weiß der Neurologe, der von 2008 bis 2011 Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) war.

Während vor 25 Jahren Mediziner die Migräne oft als eine „hysterische Krankheit“ betrachteten, die als nicht behandelbar galt, können heute die Ärzte etwa 80 Prozent der Betroffenen das Leben erleichtern. „Das hat die konsequente Befragung unserer Patienten, die ich seit zehn Jahren durchführe, gezeigt“, sagt Arne May.

Für die Therapie steht ein Bündel von Maßnahmen zur Verfügung. Bei leichten Verläufen reichen Kopfschmerzmittel. Wer aber mehr als drei Attacken im Monat hat, dem bieten die Schmerztherapeuten des UKE an, für ein halbes Jahr beispielsweise Betablocker oder Antidepressiva zu nehmen, um die Anzahl der Attacken zu senken. Und das funktioniert. Die Medikation reicht offenbar aus, damit das Gehirn umlernt.

Was es lernt, das haben die Neurologen in einer weltweit erstmaligen Studie untersucht. Einen Monat lang scannten sie jeden Morgen das Gehirn von neun Menschen, die eine Migräne haben, sowie die Gehirne von sechs Menschen, die keine Beschwerden haben. „Wir wollten wissen, was am Tag vor der Attacke im Gehirn passiert“, erläutert der Neurologe. Das Ergebnis: Je mehr Attacken eine Patientin in einem Monat erleidet, desto höher ist die neuronale Grundaktivität in den Gehirnzentren, die zum Schmerzempfinden beitragen.

Offenbar lernt das Gehirn durch häufige Attacken, den grundlegenden neuronalen Erregungszustand in diesem Netzwerk hochzuhalten. Sinkt also die Anzahl der Attacken, dann sinkt der Erregungszustand und Reize können das Gehirn nicht mehr so schnell aus dem Gleichgewicht bringen. Die Migräneattacken werden seltener. „Dieser Mechanismus scheint hinter der Wirkung der Medikamente zu stecken“, sagt Arne May, der die Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift „Brain“ veröffentlichte.

Verhaltenstherapie hilft, den Bedürfnissen Raum zu geben

Menschen mit schweren Verläufen bieten die Experten zudem Akupunktur, Biofeedback und Verhaltenstherapie an. „Nach unseren Erfahrungen hilft Akupunktur 30 Prozent der Betroffenen. Biofeedback, das in fünf Sitzungen erlernt werden kann, ist etwa genauso wirksam. Der Vorteil der Technik ist, dass die Patienten selbst ihr Wohlbefinden und damit die Schmerzattacken beeinflussen können“, so Arne May.

Auch Verhaltenstherapie wird angeboten. Sie funktioniert, weil sie den betroffenen Menschen die Tür öffnet, sich und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und ihnen ausreichend Raum zu geben. Solange Migräne nicht heilbar ist, helfen diese Therapien, mit ihr zu leben. „Wer sein Leben in die Hand nimmt, ist der Migräne nicht mehr so ausgeliefert“, sagt der Schmerztherapeut.

Die Kopfschmerzambulanz am UKE ist für Kassenpatienten unter der Telefonnummer 040/741 05 27 80, für Privatpatienten unter Telefon 040/741 05 90 94 zu erreichen. Die Terminvergabe erfolgt nur am ersten Arbeitstag eines jeden Monats, jeweils von 8 bis 16 Uhr. Es empfiehlt sich, früh anzurufen. Die Kopfschmerzambulanz ist zu finden auf dem UKE-Gelände an der Martinistraße 52, Neues Klinikum (O10), Erdgeschoss, Gang A, Neurologie.