Margot (90) und Otto Böhling (91) feiern Gnadenhochzeit, sie sind dann70 Jahre miteinander verheiratet. Wie eine Beziehung so lange gut funktionieren kann, zeigt das Porträt des Paares von Martina Petersen

Dass im November dieses Jahres ihre Gnadenhochzeit ansteht, können sich Margot (90) und Otto Böhling (91) noch nicht so recht vorstellen. „Schön, dass wir uns nach fast 70 Jahren Ehe immer noch gern haben“, meint Otto Böhling und grinst verschmitzt. „Sonst hätte Margot längst gesagt: Geh mal, da ist die Tür!“ Behutsam streichelt er über die Hand seiner Frau, die im Rollstuhl dicht neben ihm am Tisch sitzt. Mit privaten Möbeln, bunten Tagesdecken auf den Pflegebetten und vielen Familienfotos an den Wänden haben die Böhlings ihr 25 Quadratmeter großes Doppelzimmer im Kursana Domizil Billstedt gemütlich eingerichtet. Zusammenzurücken, wenn es durch äußere Umstände eng wird im Leben, hat das Paar schon früh gelernt.

Kennengelernt haben sich die beiden Hamburger, als der 17-jährige Soldat 1943 auf Heimaturlaub war. Otto Böhling begleitete einen Freund auf einen Bauernhof in Billwerder, um Kaninchenfutter abzuholen. Margot absolvierte dort ihr Pflichtjahr in der Landwirtschaft. Der gemeinsame Kinobesuch am Abend wurde durch Fliegeralarm jäh unterbrochen. „Im Luftschutzkeller hatten wir Zeit, uns zu unterhalten. Da habe ich gemerkt, dass Margot nicht nur toll aussieht, sondern auch ein offenes, ruhiges Wesen hat“, erinnert sich Otto Böhling. Als der gelernte Autoschlosser seine Freundin nach dem Krieg wiedertraf, hatte sie durch die schwere körperliche Arbeit ein Rückenleiden und konnte kaum noch laufen. „Auf dem Weg ins Kino bin ich dreimal gefallen“, erzählt Margot Böhling. „Ich fand gut, dass er trotzdem zu mir gestanden hat.“

Die Hochzeit fand einen Tag nach Margots 21. Geburtstag am 17. November 1947 statt, da war ihr Sohn Klaus schon unterwegs. Das Paar zog mit dem Baby für das nächste Jahrzehnt in das winzige ausgebaute Dachgeschoss in Margots Elternhaus. Otto Böhling, der gern reisen wollte und am liebsten Lkw-Fahrer geworden wäre, fing bei der Bergedorf-Geesthachter-Eisenbahn AG, den heutigen Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein, zuerst als Schlosser und später als Busfahrer an.

„Unter den beengten Verhältnissen haben wir uns oft gekabbelt. Da war es gut, dass ich beim Fußball Dampf ablassen konnte“, sagt Otto Böhling, der noch als Senior beim SV Billstedt-Horn gespielt hat. Das Reisen konnte er später als Fahrer von Reisebussen nachholen. Wann immer es ging, war Margot mit beiden Kindern – später kam noch eine Tochter dazu – bei den Touren mit an Bord. Die gemeinsamen Wanderungen in Österreich gehören heute zu den schönsten Erinnerungen des bescheidenen Paares.

„Der Zusammenhalt in der Familie und die gegenseitige Achtung waren uns immer das Wichtigste“, sagt Otto Böhling. „Wenn man dann in der Ehe auch den Humor nicht verliert, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.“ Durch eine Erbschaft konnte das Paar 1980 in Boberg ein Haus bauen. Als sich Margot Böhlings Rückenleiden nach einem Unfall 2005 immer mehr verschlechterte, ließ ihr Mann einen Treppenlift einbauen und holte sich für die Betreuung Unterstützung von einem Pflegedienst. Ende 2014 zog Margot Böhling ins Kur­sana Domizil Billstedt, in dessen Nähe beide Kinder wohnen. „Zuerst habe ich mich einfach mit angemeldet“, erzählt Otto Böhling. „Aber ich musste ja erst mal das Haus verkaufen, damit wir das Pflegeheim bezahlen können. Ich habe Margot jeden Tag besucht, bis ich vor einem Jahr mit eingezogen bin.“

In der Senioreneinrichtung war der rüstige, humorvolle Neuzugang bald bekannt wie ein bunter Hund. „Unsere Nachbarinnen haben Otto immer gerufen, wenn ihr Fernseher nicht funktionierte“, sagt Margot Böhling lächelnd. „Da er immer hilfsbereit ist, hat er ihnen auch die Zeitung vom Einkaufen mitgebracht.“ Bis heute gehört Otto Böhling im Domizil zu den aktivsten Bewohnern: Bei einem Besuch von Schülern berichtete er als Zeitzeuge vom Leben in Billstedt früher. Er packt gern bei der Gartenarbeit mit an und lässt zusammen mit seiner Margot keinen Ausflug und keine Veranstaltung im Haus aus. Die beiden wissen die Gemeinschaft zu schätzen, genießen aber auch Momente der Zweisamkeit, wenn Otto Böhling seiner Frau jeden Morgen das Frühstück ans Bett bringt.

Für den Festtag textet Otto seiner Margot ein Liebeslied

Bis heute ist Otto Böhling großer Fußballfan und trifft sich gern mit seinem Sohn Klaus bei Bekannten, um Spiele gemeinsam im Fernsehen zu verfolgen. Im Rahmen eines Musikprojekts hat er zusammen mit anderen fußballbegeisterten Bewohnern anlässlich der Europameisterschaft 2016 sogar ein Video auf der Tribüne des Hamburger Volksparkstadions aufnehmen können. Derzeit ist Otto Böhling dabei, mit Antonio Tabatabai von der sozialen Betreuung ein Liebeslied zur Gnadenhochzeit zu texten. Mit dem Lied möchte Otto Böhling seiner Margot Danke schön für die vielen gemeinsamen Jahre sagen.

„Ich möchte am Hochzeitstag mit unseren Kindern, Enkeln und Urenkeln hier im Haus schön essen und sonst gar nicht viel Aufhebens machen“, sagt Margot Böhling, der es widerstrebt, sich als etwas Besonderes zu sehen. „Wir beide können uns heute noch manchmal ordentlich streiten“, gibt sie zu. „Allerdings haben wir zur goldenen Regel gemacht, dass wir uns vorm Schlafengehen immer wieder vertragen.“

Denn ohne den Gutenachtkuss ihres Mannes, gibt Margot Böhling schmunzelnd zu, könne sie sowieso nicht einschlafen.