In seinem Regiedebüt, der Tragikomödie „Wilde Maus“, zeigt Josef Hader viel feines Gespür für die vom Leben Geprügelten

Die „Wilde Maus“, das ist in diesem Film nicht nur der Name einer verschrammten Achterbahn im Wiener Prater, die verlässlich mit grauenhafter Musik beschallt wird. Der Titel meint auch den Helden dieses Films. Er probt den Aufstand gegen viel größere Tiere, aber daraus wird nichts werden, denn er ist nur ein kleines, harmloses Nagetier.

In der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit gedeihen Tragik und Humor, und hier findet Josef Hader seine Figuren. Ob es nun ein bierbäuchiger Gaststätten-Hygiene-Inspektor wie in „Indien“ (1993) ist oder der abgehalfterte Privatdetektiv Simon Brenner in den zahlreichen Verfilmungen der Kriminalromane von Wolf Haas: Es sind die vom Leben geprügelten, ins Abseits gestellten Menschen, die Josef Hader interessieren – und da ist es ganz einerlei, ob einer Dosenbier säuft, durchs Wiener Rotlichtmilieu ermittelt oder sich in den Sphären der Hochkultur zu Hause fühlt.

Letzteres tut Georg, der in der „Wilden Maus“, Haders erster Regiearbeit, im Zentrum steht. Seit vielen Jahren ist er Musikkritiker einer renommierten Tageszeitung, bis ihm passiert, womit man als Printjournalist in diesen Zeiten leider rechnen muss: Er verliert seinen Job, sein davon nur am Rande bewegter Chef (brillant gespielt von Jörg Hartmann) sagt ihm, er könne ja mal ein Buch schreiben oder so.

Das stellt Georg vor Probleme. Zu Hause arbeitet seine Frau Johanna (Pia Hierzegger) mit abtörnender Energie an der Familiengründung: Der Sex ist zur Pflichtübung geworden, die sich nach Kalender und Thermometer richtet. Ihr will Georg von dem Jobverlust erst einmal nichts erzählen.

Also beginnt er, sich herumzutreiben. Die Wut auf seinen Vorgesetzten bringt ihn abends dazu, bei ihm vorbeizufahren und dem roten Lack seines Porsche einen tiefen Kratzer zu verpassen. Es ist der Auftakt einer Reihe kleinerer Sachbeschädigungen, die sich im Lauf der Zeit immer weiter steigern werden. Die wilde Maus beißt um sich.

Auf seinen Streifzügen läuft Georg auch sein ehemaliger Mitschüler Erich (Georg Friedrich) über den Weg. Mit ihm verfällt er auf die Idee, eine alte Achterbahn im Prater wieder flottzumachen. Seiner Frau tischt er immer wieder Lügen auf, um seine Eskapaden zu vertuschen. Sein Chef hat inzwischen Verdacht geschöpft, wer hinter den regelmäßigen Anschlägen auf sein Privatleben stecken könnte – und nimmt seinerseits Kontakt zu Johanna auf, um Klarheit darüber zu bekommen. Für Georg wird es eng.

Und das ist ja gerade die Versuchsanordnung, auf die es bei Hader auf so komische und zugleich tragische Weise hinausläuft: Das Leben treibt einen in die Enge, was tut man da? Schlägt man um sich oder knickt man ein und wird traurig? Georg tut beides, und über beidem schwebt die Unausweichlichkeit des Scheiterns, das Hader mit seinem traurigen Blick so gut zum Ausdruck bringen kann wie sonst kaum jemand. Auch die Figuren seiner Kollegen Hierzegger und Friedrich, beide auch auf ihre Art vom Leben getreten, machen „Wilde Maus“ zu einem lustigen, traurigen, wahrhaftigen Erlebnis.

„Wilde Maus“ A/D 2016, 103 Min., ab 12 J.,
R: Josef Hader, D: Josef Hader, Pia Hierzegger, Georg Friedrich, täglich im Abaton, Blankeneser, Studio, Zeise; www.wildemaus-derfilm.de