Berlin.

Die Haustür erkennt dank Smartphone-Verbindung den Bewohner und der Kühlschrank registriert, wenn er keine Milch mehr hat. Das Fitness-Armband mit App stellt sicher, dass jede verbrannte Kalorie, jeder Pulsschlag aufgezeichnet, verglichen und über die sozialen Netzwerke veröffentlicht wird. Das sind keine Neuigkeiten, gehört die Vermessung des Menschen doch längst zum Alltag. Doch jetzt soll die künstliche Intelligenz mittels Funkverbindung in den intimsten Bereich unseres Privatlebens vordringen dürfen. Der englische Hersteller „British Condoms“ kündigt das erste intelligente Kondom an. Noch in diesem Jahr soll es auf den Markt kommen.

Und tatsächlich verkauft British Condoms die Erfindung, die das Unternehmen exklusiv auf seiner Website vertreibt, weniger als einen Scherz, sondern als den Versuch eines seriösen Geschäftsmodells. Das internetfähige Kondom namens i.Con ist genauer gesagt ein Ring, den man über das Kondom zieht. Ausgestattet ist dieser mit einem Chip und diversen Sensoren. Diese sorgen dafür, dass über Signalübertragung via Bluetooth nach jedem Liebesakt verschiedene Werte abgefragt werden können. Werte wie die Dauer des Geschlechtsverkehrs, verbrauchte Kalorien, Körpertemperatur, wie oft die Stellung gewechselt wurde und Ähnliches. Aufgeladen werden kann der Ring, der rund 70 Euro kosten soll, per Kabel in einer Steckdose.

Ein Leben nach Zahlen ist weniger aufregend

Schöne, gruselige (Technik-)Welt. Die ersten Reaktionen von Konsumentenseite auf das Kondom der Zukunft sind auf alle Fälle gemischt. „Vielleicht sollte man es ‚i.diot‘ nennen“, wettert ein User. „Es wäre gut, wenn der Ring auch auf HIV und Hepatitis reagieren könnte“, findet ein anderer.

Der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger kann über den Selbstvermessungsdrang bis in unsere Sexualität hinein dagegen nur den Kopf schütteln. „Wenn wir in der Wissenschaft eine Sache über Sexualität wissen, dann die, dass jede Ablenkung die Intensität und die Erotik schmälert.“

Besonders technische Hilfsmittel, aber auch Tipps zum Thema wie man sie in Zeitschriften liest, seien unserer Optimierungsgesellschaft geschuldet, so Krüger. „Wir sind von echter Intimität fast schon überfordert. Aus dieser Angst heraus wollen wir uns ablenken und dafür Dinge wie sexuelle Leistung messbar machen.“

Dass aber Sicherheitsdenken, und der Wunsch nach Kontrolle jegliche Form von Wagnis und Überschwang verbannen, macht das Leben auch fade, weiß Ariadne von Schirach. Die Philosophin verglich in ihrem Buch „Du sollst nicht funktionieren“ (Klett-Cotta) den modernen Menschen mit „einer strebsamen Ich-AG“.

Zweifelsohne lässt sich diese Erkenntnis auch auf neue Produktwelten wie das i.Con übertragen. Das scheint den Vertrieb von British Condoms nicht zu stören. Die Firma geht sogar noch einen Schritt weiter. „Natürlich können Sie ihre Daten anonym verwalten, aber Sie werden die Möglichkeit haben, diese mit ihren Freunden zu teilen.“ Auch sei es möglich, anonym mit anderen Nutzern die intimen Messwerte abzugleichen.

Dass sich tatsächlich auch hierzulande ein Markt für diese Erfindung biete, ist allerdings fraglich, wenn auch eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK eine große Nähe zum Selbsttest erkennt: Immerhin 28 Prozent in Deutschland setzen auf Gesundheitsapps und Fitnessarmbänder. Wer jetzt schon ein florierendes Geschäft erwartet, sollte erst einmal abwarten: Zwischen Vitalcheck beim Marathon und zärtlichem Miteinander gibt es ja noch einen kleinen Unterschied.