Das Drama „Certain Women“ zieht sich wie Kaugummi

Fangen wir doch mal andersherum an – und reden nicht gleich über den Film, sondern die Frau dahinter: US-Regisseurin Kelly Reichardt. In Amerika läuft sie unter dem Label „Independent“, ihre Filme sind Low-Budget-Produktionen mit Autorenhandschrift. Langsam, bedeutungsschwanger und mit explizit weiblichem Blick. Große Kassenerfolge hat sie noch nie gehabt, darum geht es ihr auch nicht. Umso mehr wird sie von einer bestimmten Film-Intellektuellen-Szene geliebt, ist mit ihren Filmen regelmäßiger Gast auf Festivals wie dem „Sundance“. Das Münchner Filmmuseum hatte ihr 2014 eine Retrospektive gewidmet.

Der Film „Certain Women“ trägt Reichardts charakteristische Handschrift. Er beruht auf einer Kurzgeschichte und verwebt, sehr locker, das Leben von vier Frauen in Montana, hoch oben im Norden der USA an der kanadischen Grenze. Ein weites Land, von der Natur geprägt.

Der Aufmarsch der Schauspielerinnen in diesem Film ist handverlesen: Laura Dern, Kristen Stewart, Michelle Williams, Lily Gladstone. Um diese Frauen drehen sich die Geschichten. Dern spielt die Anwältin Laura Wells, die mit einem uneinsichtigen Klienten zu kämpfen hat. Diese Anwältin hat ein Verhältnis mit Ryan (James Le Gros), der wiederum mit der etwas überspannten Gina (Michelle Williams) verheiratet ist, die sich von Mann und Teenager-Tochter verraten fühlt. Zu guter Letzt ist da die Saisonarbeiterin Jamie (Lily Gladstone), die auf einer Pferderanch aushilft und einsam ist, bis sie die Anwältin Beth (Kristen Stewart) kennenlernt und sich auf eine unbeholfene Weise in sie verliebt.

Es wird wenig gesprochen in dem Film, die Einstellungen sind lang, die kargen Dialoge bedeutungsschwer. Doch der Film berührt nicht. Die Schicksale der einzelnen Frauen werden nicht ausführlich genug erzählt, um mitfühlen zu können. Warum ist die blonde Gina so zickig? Ahnt sie etwas von der Affäre des Ehemannes? Was hat die Saisonarbeiterin Jamie in den Norden getrieben? Keine Antwort.

Der Film zieht sich wie Kaugummi. Und am Ende beschleicht einen das Gefühl, einer ABM für Hollywood-Schauspielerinnen beizuwohnen. Damit die neben Vampir-Filmen, Teenie-Serien und Ex-Erfolgen auch mal wieder „niveauvolle“ Filme drehen. Zu wenig!

„Certain Women“ USA 2016, 107 Min., o. A.,
R: Kelly Reichardt, D: Laura Dern, Michelle Williams, Kristen Stewart, Lily Gladstone, täglich im 3001