Hamburg.

Früher fuhr Olaf Jensen meist Dienstwagen, heute dagegen Dienstrad. „40 Kilometer lege ich fast täglich zwischen meiner Wohnung und dem Büro zurück“, sagt Jensen, der als Vertriebsleiter beim Drucker- und Kamerahersteller Canon Deutschland in Hamburg arbeitet. Sein 1400 Euro teures Fitnessbike, ein Rennrad mit geradem Lenker, hat der 49-Jährige mit Unterstützung seines Arbeitgebers geleast. So machen es Tausende Firmen in Deutschland: Sie bieten ihren Beschäftigten Fahrräder an – für den Weg zur Arbeit wie für die private Nutzung.

Jensen besitzt zwar einen Dienstwagen, doch der bleibt in der Regel zu Hause. Vor einem Jahr brachte der passionierte Triathlet ein Pilotprojekt in Kooperation mit dem Dienstleister Jobrad auf den Weg. Mittlerweile ist daraus eine feste Einrichtung geworden. Von den rund 2400 Leuten, die bei Canon in Deutschland arbeiten, haben sich bis heute etwa 160 für ein geleastes Dienstrad entschieden. Im Vergleich zu normal gekauften Rädern seien diese unter dem Strich „25 bis 30 Prozent günstiger“, sagt der Canon-Manager. Die Firma, die in Krefeld ihren Hauptsitz hat, betrachtet das Ganze in erster Linie unter dem Aspekt der Motivationsförderung. Als guter Arbeitgeber, so das Credo, hilft man den Mitarbeitern beim Erwerb eines hochwertigen Rades. Möglich ist das Modell seit 2012. Damals übertrug der Gesetzgeber die steuerliche Regelung für Dienstautos auch auf Fahrräder. So funktioniert es: Der Arbeitgeber schließt einen Vertrag mit einer Jobrad-Firma ab. Dieser verschafft ihm Zugang zu standardisierten Leasing-Vereinbarungen und einem Netzwerk von kooperierenden Radhändlern. Bei diesen suchen sich die Arbeitnehmer ein Gefährt aus. Das kann ein normales Stadtrad, teures Rennrad, Downhill-Mountainbike oder auch ein sogenanntes Pedelec mit Elektromotor sein. Anstatt das Fahrzeug zu kaufen, wird es zunächst für in der Regel drei Jahre geleast. Die Mietgebühr übernimmt der Arbeitgeber, zieht sie allerdings ganz oder teilweise vom Lohn des Beschäftigten ab.

Mitarbeiter werden gesünder und leistungsfähiger

Auf den ersten Blick sieht dieses Geschäftsmodell unnötig schwierig aus. Warum sollen Unternehmen, Dienstleister, Radfirmen und Beschäftigte komplizierte Verträge miteinander aushandeln, wenn man auch einfach in den Laden gehen und ein Rad kaufen kann? Jahrzehnte funktionierte diese schlichte Variante doch sehr gut.

Aber das neue Modell gewinnt aus mehreren Gründen immer mehr an Attraktivität. So erkennen die Firmen, dass ihre Mitarbeiter gesünder und leistungsfähiger sind, wenn sie morgens und nachmittags ein paar Kilometer radeln. Auch denken viele Arbeitnehmer mehr an ihre körperliche Fitness. Hinzu kommt die Marktentwicklung bei den Rädern. Fuhren früher viele kostengünstige Drahtesel, so kosten moderne Pedalrenner heute den Preis eines Kleinwagens. Mountainbikern mit 5000-Euro-Geschossen im Wald zu begegnen, ist keine Seltenheit mehr. Auch für Elektrofahrräder, die bei Nutzern mittlerer und älterer Jahrgänge beliebt sind, muss man oft einige Tausend Euro hinlegen. Insofern freuen sich Arbeitnehmer über das Finanzierungsmodell. Wie sich die Rechnung für einen typischen Beschäftigten darstellt, hat der Verbraucher-Informationsdienst Finanztip anhand eines Beispiels ermittelt. Für ein Elektrorad, das inklusive der Versicherungsgebühren dreier Jahre knapp 3000 Euro kostet, zahlt der Arbeitnehmer unterm Strich nur 1991 Euro. Diese günstige Bilanz kommt unter anderem deshalb zustande, da die Leasingraten von gut 70 Euro monatlich in Form der Barlohnumwandlung vom Gehalt abgezogen werden. Dadurch sinken die Steuern und Sozialabgaben. Die Gegenrechnung des geldwerten Vorteils der Fahrradnutzung, den das Finanzamt in Rechnung stellt, schmälert den positiven Effekt, neutralisiert ihn aber nicht.

„Profitieren können Mitarbeiter sogar dann vom Leasing, wenn die Firma gar nichts dazu bezahlt“, sagt Udo Reuß, Experte für Steuern bei Finanztip. Die Beispielrechnung führte er im Juli 2015 für einen alleinstehenden Beschäftigten mit 3500 Euro Bruttogehalt in Baden-Württemberg durch. Obwohl sich einzelne Komponenten seitdem geändert haben, gelte die Rechnung grundsätzlich weiterhin, so Reuß. „Im Vergleich zum konventionellen Erwerb sparen die Nutzer bis zu 40 Prozent“, sagt Rita Leusch, Sprecherin des Dienstleisters Jobrad in Freiburg.

Auch für die Arbeitgeber kann die Regelung zu niedrigeren Kosten führen. Wegen der geringeren Lohnzahlung können sie Sozialbeiträge sparen. Womöglich schlagen weniger Krankheitstage positiv zu Buche, und die Aufwendungen für die Anschaffung der Dienstfahrzeuge sowie die Errichtung von Stellplätzen fallen niedriger aus als bei der Autovariante. Weil sie diese Vorteile zu schätzen wissen, bezuschussen manche Arbeitgeber die Leasing­raten, die ihre Angestellten zahlen. Der Evangelische Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein etwa lässt sich das aufgrund einer Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung 9,5 Prozent der monatlichen Raten kosten. Der Papierhersteller Felix Schoeller Group in Osnabrück bezuschusst die Leasing­raten seiner Mitarbeiter mit zehn Euro monatlich. In diesem Unternehmen haben von 2000 Beschäftigten in der Zen­trale bereits 843 Jobräder erworben. Wie viele Arbeitnehmer in Deutschland insgesamt von dem Modell profitieren, lässt sich nicht seriös schätzen. Jobrad, nach eigenen Angaben Marktführer, kooperiert mit 3500 Arbeitgebern, bei denen rund eine Million Mitarbeiter Diensträder nutzen könnten.