Man kann dem Dreijährigen keine größere Freude machen, als mit ihm in einen Technikmarkt zu gehen. Andere Kinder gehen gern in den Zoo oder ins Kino, um sich „Bibi und Tina“, Teil 802 anzuschauen, oder zum Eisessen. Den Dreijährigen muss man bloß fragen: „Wollen wir uns bei Saturn eine neue Zitruspresse ­kaufen?“

Wir bräuchten eigentlich gar keinen Kitaplatz für ihn. Es würde reichen, ihn morgens in irgendeinem Technikmarkt abzugeben und ihn dort abends wieder abzuholen. „Ich werde alles ausprobieren“, sagt er vor seinen Besuchen, und wir antworten mittlerweile nur noch so etwas wie: „Ja, aber pass ein bisschen bei den Steckdosen auf.“ Und dann ist er im Paradies. Er lässt Staubsaugerroboter gegeneinander antreten, nimmt Milchaufschäumer auseinander, steckt elektrische Fensterputzer zusammen und findet auf Anhieb die allerteuerste Zitruspresse. Einzelstück für den Gastrobedarf, 199 Euro. „Die möchte ich!“ Er weiß, was gut ist. Das hat er von mir. Ich finde blind die teuersten Dinge – schon immer.

Als Eltern macht man das ja gern. Überlegen, wie viel von uns und dem Rest der Familie im Kind steckt. Die Nase? Eindeutig Tante Elisabeth aus Frankfurt. Dieser komisch biegsame Daumen? Gibt es in unserer Familie nicht. Muss vom Vater kommen. Lieblingssätze beim Ähnlichkeitswettbewerb: „Das kenne ich“, „Ich war genauso“, „Wo soll es auch herkommen? Ich hatte in Mathe auch eine Fünf.“

Fast täglich streichelt sie das Fell meines Parkas

Es macht Spaß, sich in den Kindern wiederzuentdecken. Man sieht seine eigenen Stärken und die Schwächen. Doch je älter sie werden, desto weniger „wir“ werden sie. Und desto mehr fragen wir uns, was das eigentlich für komische kleine Menschen sind, die da bei uns im Haus wohnen, das Nutella auffuttern und so erschreckend anders sind als wir.

Die Sechsjährige schafft es zum Beispiel mittlerweile, dass man sich neben ihr wie so ein Trottel fühlt, der seine Bierflaschen in den Papiercontainer wirft und den alten Kühlschrank irgendwo in der Natur entsorgt. Sie ist seit dem Sommer nicht nur strikte Vegetarierin, weil ihr die Tiere so leidtun; sie streichelt auch fast jeden Tag das Fell in meinem alten Parka und sagt: „Das arme kleine Kaninchen ...“ Ich: „Das wurde sowieso gegessen. Das ist nicht extra für meinen Parka gestorben.“ Sie: „Du hast es gegessen? Das arme kleine Kaninchen!“

Bei Baumwolle tut ihr der Baum so leid, und wenn wir Weihnachten weiterhin darauf bestehen, eine tote Tanne ins Wohnzimmer zu stellen, zieht sie aus. Sie könnte eigentlich Ehrenmitglied bei den Grünen werden und bei Peta, aber die sind ihr wahrscheinlich nicht radikal genug. Wir brauchen jeden Baum, sagt sie. Zum Atmen und gegen Überschwemmungen und gegen Dürre. Und gegen Armut.

„Ich bin auch Vetarier, aber mit Fleisch!“

Ich habe unserem kompletten Umfeld verboten, ihr zu verraten, dass es auch Veganer gibt, die noch toller sind als Vegetarier. Die Konsequenz? Von uns hat sie die jedenfalls nicht. Der Dreijährige sagt dazu nur trocken: „Ich bin auch Vetarier, aber mit Fleisch!“

Er hat andere Spleens. Vorgestern sagte er mir, er wolle Zahnarzt werden, weil die immer so tolle Gummihandschuhe tragen dürften. Seine beste Freundin ist eine 50 Jahre alte Schornsteinfegerin mit blauem Gesicht, die in unserem Kamin wohnt und Luja heißt. Er hat sie so genannt, damit er sie singend anrufen kann: „Halloluja, Halloluja, Halloluja, Halloluhuhuja ...“ Wichtig ist, dass man beim Anrufen den rechten Fuß als Telefon benutzt.

Der Dreijährige wünscht sich zum Geburtstag einen Saugroboter und kürzlich wollte er, dass wir ihm eine große Rakete kaufen, mit der man ins All fliegen kann. Außerdem sieht er aus wie die Wiedergeburt von Prinz Eisenherz, weil er sich seit mehreren Monaten weigert, zum Friseur zu gehen. Er sagt: „Ich möchte ein Junge werden und lange Haare haben.“

Sie sind schon seltsam. Vor allem aber sind sie kein bisschen wie wir. Von wem sie das wohl haben?