Mid-Century-Stil oder Vintage, viele Hersteller experimentieren mit alten Entwürfen oder setzen modernste Technik ein

Anfang des Jahres finden in Köln, Frankfurt und Paris immer die international wegweisenden Einrichtungsmessen statt und zeigen wesentliche Entwicklungen, die in den kommenden Jahren unseren Wohnalltag verändern werden. Entwerfen Modelabels jährlich mehrere Kollektionen, um konkurrenzfähig zu bleiben, treibt die Einrichtungsbranche technische Neuerungen und gesellschaftliche Entwicklungen an. Sehr eindrucksvoll zeigt sich dies beispielsweise an den Sofa- und Sesselentwürfen.

Waren die Wohnräume noch vor einigen Jahren eher cool geprägt, ziehen nun großformatige Sofas mit vielen Kissen und hochgezogenen Seitenlehnen in die Haushalte ein. „Naturgewalten und politische Unsicherheiten, wie wir sie in diesen Jahren erleben, verunsichern die Menschen. Sie suchen vermehrt nach Schutz und Sicherheit“, erklärt Frank A. Reinhardt diese Möbelentwürfe, die durch ihre Gestaltung dem Nutzer Geborgenheit vermitteln.

Als Trendscout beobachtet Frank A. Reinhardt die gesellschaftliche Entwicklung, insbesondere in Bezug auf die Wohnwelt. Auch die Rückbesinnung auf vergessene Werte spiegelt diese Unsicherheit wider. In unserer schnelllebigen und digitalisierten Welt sehnen sich die Menschen dennoch nach Ruhe, Geborgenheit, Natur und Tradition.

Das enorme Feedback, das Hersteller wie Vitra, Thonet oder Richard Lampert auf ihre Re-Editionen von Möbelklassikern erhalten haben, hat nun den sogenannten Mid-Century-Stil hervorgebracht. Möbel, die vor vielen Jahrzehnten entworfen wurden, haben heute immer noch ihre Gültigkeit. Eine Selbstvergewisserung in unruhigen Zeiten. „Die Möbel sind so interessant, dass wir dem Mid-Century-Stil Mitte Februar eine eigene Ausstellung widmen“, sagt Tammo Schwitters, der das Hamburger Einrichtungsgeschäft „Der neue Beckmann“ führt. Die Widersprüchlichkeit zwischen der Rückbesinnung, die sich in dem Wiederaufleben bewährter Entwürfe zeigt, und dem Voranschreiten der digitalisierten Welt trifft auch auf unsere Einrichtungswelt zu“, erklärt Frank A. Reinhardt. Es gibt kein richtig und falsch mehr.

Per Smartphone die Wohlfühl-Position einstellen

So steht Leder neben Plastik, reduziertes Design neben nostalgischem Vintage und grauweiße Töne neben bunten Tapeten. Hinter all diesen Entwicklungen steht der Wunsch nach Individualisierung – alles soll genau auf den Bewohner zugeschnitten sein, damit er sich nach einem immer anstrengenderen Arbeitsalltag zu Hause wohlfühlt. Die Steuerung einiger Funktionen per Smartphone ist dabei so wichtig wie das ultimative Wohlfühl-Möbelstück. Der Zukunftsforscher Matthias Horx bezeichnet in seinem Zukunftsreport 2017 diese Entwicklung als „Hygge“. Der aus dem Dänischen stammende Begriff bezeichnet eine Lebensweise, in der man sich auf diejenigen Dinge konzentriert, auf die es wirklich ankommt. Die dem Menschen tatsächlich guttun. Mehr Zeit mit Freunden und Familie verbringen und die guten Dinge des Lebens genießen – das Antimodell zur flüchtigen urbanen Lebensweise.

Hanna Stegen, Innenarchitektin und Einkäuferin bei „Der neue Beckmann“ , kann diese Entwicklung bestätigen. „Die Menschen sitzen lange gemeinsam am Tisch. Esstischstühle ­werden dementsprechend immer komfortabler, teilweise haben sie eine sehr weiche Polsterung, oder sie sind sogar als kleine Sessel ausgebildet“, erklärt die Fachfrau, die auf der Möbelmesse einige dieser Modelle geordert hat. Modernität und Wohlfühlambiente gehen eine wohltuende Verbindung ein.

Die neuen Teppiche beispielsweise vermitteln ebenfalls dieses Wohngefühl. Auf Parkett oder Dielenböden bringen sie Wärme und Gemütlichkeit in jeden Raum. Klassische Muster, in die Moderne übersetzt und in ungewöhnlichen Farben gewebt, sind ein Garant für ein gemütliches Ambiente.

Interessant auch das zunehmende Interesse für Kleinmöbel wie Beistelltische, kleine Regale oder Mini-Cocktailsessel. Diese Entwicklung schreibt Frank A. Reinhardt dem zunehmenden Online-Kauf von Möbeln zu. Kleine Möbel kauft der Nutzer ohne Bedenken im Netz – bei größeren Anschaffungen möchten man lieber das Möbelstück in Augenschein nehmen. Im dekorativen Bereich punkten alle Schattierungen um die Farbe Grün. Alles von Mintgrün über kräftiges Grasgrün bis zu Nuancen von Taupe und Petrol lässt Textilien und Wände groß herauskommen. In diesem Zusammenhang kommt es zu einem Comeback der Zimmerpflanze.

Auch der Blick auf die demografische Entwicklung lässt sich in der Wohnbranche ablesen. Boxspringbetten, die durch ihre Konstruktion eine hohe Liegefläche besitzen und deshalb einen bequemen Einstieg gewährleisten, sind seit Jahren ein Verkaufsschlager. Dieser Trend ist ungebrochen. Hersteller nehmen nun dem klassischen Boxspringbett seine optische Behäbigkeit und interpretieren es neu. Heraus kommt ein sehr leicht und modern wirkendes Bett mit viel Komfort. Freuen wir uns auf die neue Wohnsaison.