11. Januar: Matheschwäche bei Hamburger Schüler. Probeklausur für das Abitur im Fach Mathematik ein Desaster

Wie oft bei strukturellen Problemen wird es die eine Maßnahme, die das Problem löst, nicht geben. Didaktische und methodische Erneuerung des Matheunterrichts, zusätzliche Mathestunden etc. pp. sind sicher hilfreich. Es gibt aber einen altbekannten und basalen pädagogischen Zusammenhang, der bisher nicht angesprochen wurde: Mens sana in corpore sana.

Nicht umsonst waren Gymnasien ursprünglich Sportstätten. Alle Langzeitbeobachtungen zeigen, dass es mit der motorischen Entwicklung von Kindern bergab geht.

Als Ursache wird zumeist der schwindende Mobilitätsradius von Kindern genannt, ein Phänomen, das besonders in Großstädten zu beobachten ist. Kindliche Mobilität – und damit ein kindgerechter Mobilitätsraum – ist die Voraussetzung für motorische Entwicklung und motorisches Training.

Durch sie werden Fähigkeiten erworben und geschult wie z. B. Gleichgewichtssinn (die Gleichung, die man auch verstehen kann als körperlich-sinnliche Erfahrung des Herstellens von Gleichgewicht, ist das Grundgesetz aller Mathematik), Raum-Lage-Bewusstsein (Wo befinden sich mein Körper und seine Glieder im Verhältnis zur Umgebung – dies führt zu räumlichem und geometrischem Denken), Praxie (sinnhafte und organisierte Handlungs- und Denkplanung sowie Handlungs- und Denkabläufe) und Lateralität (Rechts/Links-Bewusstsein).

Es erscheint folgerichtig, dass fortschreitender Bewegungsmangel im Kindesalter Minderleistungen nicht nur, aber besonders, im mathematischen Vermögen nach sich zieht. Eine geeignete Maßnahme zur nachhaltigen Verbesserung der mathematischen Fähigkeiten der Hamburger Schüler wäre deshalb die Auflage eines Radschulwege-Programms. Radfahren ist eine vergleichsweise anspruchsvolle Mobilität, die durch ihre relative Geschwindigkeit das Vorausdenken, d.h. Abstraktion, ganz besonders fördert.

Die mathematische Vor- oder Grundbildung könnte, Radschulwege vorausgesetzt, mindestens zweimal täglich erfolgen, auf dem Hin- und dem Rückweg zur bzw. von der Schule. Da selbstverständlich auch Kinder, wie wir alle, aus Fehlern lernen, müssten die Radschulwege fehlertolerant sein, d. h. auch Stürze verzeihen können.

Günther Reimers, Hamburg