Quickborn. Quickborner hat in seinem Haus ein bundesweit einmaliges Museum aufgebaut. Hier wird gezeigt, wie die Bürger bei einem Atomangriff gewarnt werden sollten

Es ist bundesweit einmalig. Doch in Quickborn nimmt kaum jemand Notiz von dem ungewöhnlichsten Museum im Kreis Pinneberg, wundert sich Alexander Lipski. In jahrzehntelanger mühevoller Detailarbeit hat er in seinem Haus nahe der Kieler Straße Relikte des Kalten Krieges gesammelt und bewahrt so die Erinnerung an die Eiszeit zwischen Ost und West.

Direkt am Eingang wird der Besucher unmissverständlich darauf hingewiesen, dass er eigentlich nicht willkommen ist. „Sperrgebiet – Betreten verboten!“ steht da zweisprachig auf einem großen roten Schild. Darüber prangt der Bundesadler mit der Aufschrift: „Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz: Luftschutzamt I“.

Diese Behörde aus der Hochzeit der Ost-West-Konfrontation ist längst aufgelöst. Aber hier, in dem unscheinbaren Backsteingebäude in der Straße Im Sand, lebt der Kalte Krieg weiter. Alle Räume sind vollgestellt und behängt mit originalen Karten, Plänen, Geräten, Filmen und fernmeldetechnischen Geräten, die sich von 1963 bis 1998 in eben jenem Luftschutzamt befanden, das in einem vierstöckigen unterirdischen Bunker in Hohenwestedt bei Itzehoe untergebracht war. In der alten Bundesrepublik gab es zehn solcher Ämter, deren Aufgabe es war, die Bevölkerung bei einem Luftangriff mit konventionellen oder gar atomaren Waffen zu warnen.

Seinen Wehrersatzdienst leistete Lipski im Bunker ab

Alexander Lipski hat in seinem Haus ein Museum geschaffen, das originalgetreu die Arbeitsabläufe in dem Luftschutzamt nachzeichnet, das im Ernstfall mit bis zu 150 Mitarbeitern für die Sicherheit der Bevölkerung von Hamburg und Schleswig-Holstein hätte sorgen sollen. In dem Bunker waren ständig Lebensmittel bevorratet, die für 30 Tage gereicht hätten.

Dem 47 Jahre alten Apotheker ist es eindrucksvoll gelungen, die Erinnerung an die Zeit des Kalten Krieges wachzuhalten. Teil der Sammlung ist etwa eine jener 2000 Warnstellen, die es in Hamburg und Schleswig-Holstein gab und von denen aus im Ernstfall sofort alle Landratsämter und Bürgermeister alarmiert worden wären. Von dem Bunker in Hohenwestedt aus wären 6000 Sirenen auszulösen gewesen. „Wir hätten uns auch sofort in das Programm des NDR einschalten können“, sagt Lipski, der selbst von 1987 bis 1997 seinen Wehrersatzdienst im Warnamt abgeleistet hat. Von einem Tonband wäre der Appell zu hören gewesen: „Achtung, Achtung! Luftalarm für Schleswig-Holstein. Suchen Sie sofort einen Keller, Schutzraum oder eine behelfsmäßige Deckung auf!“

Alexander Lipski über seine Motivation: „Ich wollte für die Nachwelt bewahrend dokumentieren, mit welchen Mitteln die deutschen Behörden im Kriegsfall für unsere Sicherheit sorgen wollten.“ Als das Warnamt 1998 aufgelöst wurde, ließ er die Gerätschaften in sein Quickborner Haus bringen, wo er das Amt nach und nach originalgetreu wieder aufbaute. Überraschend für den Besucher ist dabei, dass hier mit analoger Fernmeldetechnik dem Atomkrieg und seinen Folgen begegnet werden sollte, die noch wärend des Zweiten Weltkriegs entwickelt worden war.

Dabei wären jede Menge Unzulänglichkeiten aufgetreten, berichtet Lipski: „Das fängt damit an, dass es bei Weitem nicht genügend Schutzräume für die Bevölkerung gegeben hätte. Auch die Messgeräte, die den radioaktiven Niederschlag einer Atombombe hätten messen sollen, funktionierten nicht.“ Das habe sich bei der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 gezeigt: „Weil die Messfühler nicht empfindlich genug waren, konnten sie damals nach dem ersten Fallout-Regen keinerlei Radioaktivität feststellen, die aber objektiv vorhanden war“, sagt Lipski. Das sei dann aber unmittelbar danach verbessert worden.

Vorsintflutlich erscheint aus heutiger Sicht auch, wie die Behörden die Ausbreitung des möglichen radioaktiven Niederschlags vorhersagen wollten. Laut Lipski wäre eine umständliche Vektorendiagramm-Berechnung zur Anwendung gekommen, obwohl die Wetterämter alle drei Stunden Daten zur Windrichtung und -geschwindigkeit lieferten.

Der komplette Verzicht auf Computertechnologie in der Warnstelle war allerdings bewusst. Denn man ging davon aus, dass diese Technik durch den elektromagnetischen Schock, den eine Atombombe ausgelöst hätte, sofort ausgefallen wäre.

Fraglich war ohnehin, ob im Ernstfall die Alarmierung der Warnstellen und dann der Bevölkerung überhaupt rechtzeitig erfolgt wäre. Eine Originalkarte zeigt, dass eine von Wismar aus abgefeuerte Mittelstreckenrakete nach nur anderthalb Minuten Flugzeit in Kiel eingeschlagen wäre.

„Bis zur Wiedervereinigung lagerten in beiden deutschen Staaten jeweils etwa 6000 Atomsprengköpfe, die im Ernstfall Deutschland komplett unbewohnbar gemacht hätten“, sagt Lipski. Immerhin habe sich in vielen Übungen für den Ernstfall herausgestellt, dass die Kommunikation der Behörden untereinander reibungslos funktionierte. Lipski: „Wir wären vorbereitet gewesen.“ Mit einem Chiffriergerät, dessen Code nur dem Sender und dem Empfänger bekannt sein sollten, wären die Anweisungen an die Katastrophenämter und betroffenen Gebiete weitergeleitet worden.

Doch der Feind hörte jederzeit mit. Lipski: „Die DDR kannte alle Codes, weil sie Spione direkt im Verteidigungsministerium in Bonn rekrutiert hatte.“

Das MuseumLuftschutzwarnamt 1 in Quickborn, Im Sand 12, kann nach Anmeldung besichtigt werden. Die Führungen sind kostenlos. Alexander Lipski ist unter den Telefonnummern 04106/820 57 und 04122/416 47 erreichbar.