Ben Affleck überzeugt in dem Gangsterthriller „Live By Night“ weder als Regisseur noch als Darsteller

Marlon Brando war es, Al Pacino und Robert De Niro mussten es erst werden. Aber alle haben sie einen Paten gespielt. Ein Hollywoodstar – zumindest wenn er männlich ist – muss im Laufe seiner Karriere offensichtlich mindestens eine charismatische Gangsterfigur vorweisen. Das mag sich auch Ben Affleck gedacht haben, als er sich für seine vierte Regiearbeit Dennis Lehanes Gangsterepos „In der Nacht“ ausgesucht hat. Selbstredend mit sich in der Hauptrolle.

Eine Blaue-Bohnen-Ballade ausgerechnet um den Sohn eines Polizisten, der in Boston krumme Dinger dreht und sich dabei nicht sehr geschickt anstellt. Weder bei seinen plumpen Überfällen, die ihn schon bald zwingen, für den irischen Gangsterboss der Stadt zu arbeiten, noch bei seinen Liebeseskapaden, hat er doch ausgerechnet mit der Geliebten (Sienna Miller) des Bosses eine heimliche Liaison. Was natürlich auffliegt, zum Verderben des Mädchens führt und ihn zum Untertauchen zwingt.

Er hat weder das Charisma Brandos noch das Gewalttätige eines De Niro

In Florida will dieser Joe Coughlin alles besser machen. Hier dient er quasi als Stellvertreter des italienischen Paten von Boston und wird immer mächtiger. In Zeiten der Prohibition sorgt er nicht nur dafür, dass der Rum reichlich fließt, er sorgt auch vor für den Fall, dass der Alkohol einmal nicht mehr verboten ist, und sattelt auf Glücksspiele um. Wofür er mitten in die Pampa ein Kasino bauen will.

Dabei weiß Coughlin nicht nur die lokale Konkurrenz und Polizei auszuschalten, sondern auch den Ku-Klux-Klan, der sich mit seinen kubanischen Partnern anlegt. Zum Verhängnis wird ihm aber ausgerechnet – hier gibt es biografische Parallelen – die Tochter (Elle Fanning) des Polizeichefs, die im Bordell und an der Heroinspritze hing und nach ihrer Läuterung zu einer bigotten Kämpferin des Anstands wird.

Affleck und Lehane sind beide Kinder Bostons und beschäftigen sich immer wieder mit ihrer Stadt. Es war daher nur eine Frage der Zeit, dass sie nach Afflecks Regiedebüt, der Lehane-Verfilmung „Gone Baby Gone“, wieder miteinander arbeiten würden. Lehane hat nicht nur mit Affleck das Drehbuch geschrieben, er hat den Film auch mitproduziert.

Und doch ist der Film leider nur Stangenware geworden. Ein Mafia-Epos, das eigentlich alles hat, Schusswechsel und Verfolgungsjagden, bedrohliche Kerle und verführerische Frauen – und das alles mal nicht nur in düsterer Großstadtkulisse, sondern unter der sengenden Sonne Floridas. Aber Affleck hakt Lehanes immer wieder überraschenden Plot einfach ab, ohne den Bildern einen eigenen Touch, eine visuelle Ästhetik zu verleihen.

Im direkten Paten-Test fällt dieses Epos deutlich ab. Am meisten steht dem Regisseur Affleck dabei der Schauspieler Affleck im Wege. Einmal mehr weiß der 44-Jährige einer vielschichtigen Rolle außer seinem notorischen Lippenzusammenbeißen nichts hinzuzufügen, er wirkt steif und hat weder das Charisma eines Brando noch das Gewalttätige eines De Niro. In den USA ist das Werk empfindlich gefloppt. Schade um den tollen Roman.

„Live By Night“ USA 2016, 128 Minuten,
ab 16 J., R: Ben Affleck, D: Ben Affleck,
Zoe Saldana, Sienna Miller, Elle Fanning,
täglich im UCI Othmarschen/Mundsburg