Hamburg. „Bedingter Tötungsvorsatz.“ Hamburger Landgericht urteilt deutlich härter als von der Anklage gefordert

Warum rief er nicht den Arzt? Warum sah er dem langsamen Sterben der unterernährten Lara Mia tatenlos zu? Dem Stiefvater des toten Babys droht nun eine lange Haftstrafe: Das Landgericht hat Daniel C. (29) gestern zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Damit ging es deutlich über den Strafantrag der Staatsanwaltschaft hinaus – diese hatte 20 Monate auf Bewährung gefordert.

Das neun Monate alte Baby war am 11. März 2009 tot in der Wilhelmsburger Wohnung von Daniel C. und Kindsmutter Jessica R. aufgefunden worden, inmitten von Müll und verdreckten Windeln. Es wog mit 4,8 Kilogramm nur etwa die Hälfte dessen, was es wiegen sollte. Der Fall hatte Kritik am städtischen Fürsorgesystem ausgelöst, da das Jugendamt mit zunächst zehn Stunden pro Woche die Familie unterstützt hatte. Jessica R. war 2011 zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Weil Daniel C. wegen einer psychischen Erkrankung nicht verhandlungsfähig war und das Gericht den Fall jahrelang verschleppte, konnte der Prozess erst im November 2016 starten.

„Wegen rechtswidriger Verfahrensverzögerung gelten sechs Monate als bereits verbüßt“, sagte der Vorsitzende Richter Georg Halbach. Er begründete die Höhe der Strafe damit, dass der wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen angeklagte Mann mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. „Sicherlich war der Tod des Kindes unerwünscht“, sagte Halbach – aber darauf komme es bei der Annahme eines Eventualvorsatzes auch nicht an. Spätestens im Dezember 2008 habe der Angeklagte erkannt, dass Lara Mia durch die Mangelernährung erheblich gefährdet war. Mitte Februar 2009 sei ihm dann klar gewesen, dass das „für jeden Laien sichtlich zu dünne Baby“ in Lebensgefahr schwebte. Aus Angst vor einem Kindesentzug durch das Jugendamt und der dann unvermeidlichen Trennung von der Kindsmutter sei der Angeklagte aber nicht zum Arzt gegangen. Indem er auch nach eindringlichen Warnungen nichts tat, um die Gefahr abzuwenden, habe er den Tod des Kindes billigend in Kauf genommen. „Der Angeklagte wusste, dass Lara Mia sterben konnte, und fand sich mit dieser Möglichkeit ab“, sagte Halbach.

„Wir werden das Urteil anfechten“, sagte Ulf-Diehl Dreßler, Verteidiger von Daniel C. Aus seiner Sicht habe das Gericht die Tat rechtlich falsch eingeordnet. Sein Mandant habe nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz, sondern „bewusst fahrlässig“ gehandelt.