Berlin.

Es gibt sie als Tabletten und Tropfen, als süße Säfte oder auch als homöopathische Streukügelchen. Um endlich wieder eine ruhige Nacht zu haben, verabreichen immer mehr Mütter und Väter ihren Kindern Schlafmittel – zu dieser Einschätzung kommt zumindest das bayerische Gesundheitsministerium. Dessen Ministerin Melanie Huml warnte jetzt vor einem „gefährlichen Trend, den Kinderärzte und Wissenschaftler beobachten“, und verwies damit auf das Faltblatt „Hilfe für Eltern mit Schreibabys“ aus ihrem Hause. Auf Nachfrage musste Huml zwar einräumen, dass der von ihr festgestellte Trend zwar nicht auf aktuellen Zahlen oder Erhebungen basiert. Doch mit dem Thema traf sie offensichtlich voll ins Schwarze. In den Internetforen und Elternblogs wird seither heftig diskutiert: Dürfen Eltern ihren Kindern mal ein Schlafmittel geben, wenn gar nichts anderes mehr hilft?

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat dazu eine eindeutige Meinung: „Bloß nicht“, sagt BVKJ-Sprecher und Kinderarzt Dr. Hermann Josef Kahl. Die Präparate könnten die noch im Aufbau befindlichen Organe dauerhaft schädigen, Kinder frühzeitig in eine Abhängigkeit führen oder sogar einen Atemstillstand hervorrufen. Und es ergebe auch keinen Sinn. Denn nach Kahls Einschätzung handelt es sich um „ein Problem der Eltern, nicht um eines der Kinder“. In 90 bis 95 Prozent der Fälle zeigten die Kinder laut dem Experten lediglich ein anderes Schlafverhalten. „Die Kinder schlafen über den Tag verteilt kurze Phasen von zehn bis 15 Minuten – so holen sie sich ihren Schlaf ganz von allein.“ Das größere Problem hätten Elternteile, die mit Beruf und Erziehung doppelt belastet, aber mangels Schlaf total erschöpft seien. Verzweifelten Eltern rät er zu einem „gnadenlosen Einsatz der Verwandtschaft, damit die Mutter oder der Vater den Schlaf nachholen kann“. Ist dies nicht möglich, könnten Eltern auf die Hilfe sogenannter Schreiambulanzen zurückgreifen.

In den Elternforen werden indes zunehmend auch homöopathische „Wundermittel“ angepriesen. Kinderärzte wie Kahl glauben nicht an deren Wirkung. Besser seien feste Schlafrituale wie Vorlesen oder Singen.